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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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das aussehen mag, es ist nichts anderes als der Ausdruck reinster Verzweiflung.
    »Keine Nacht länger bleib ich hier!«, verkündet Sophie Widhalm, »wir sollten abreisen. Sofort!«
    »Ich glaub, das ist sinnlos!« Toni Schuster wirkt überraschend abgeklärt: »Wenn uns wirklich jemand Angst einjagen oder gar Schaden zufügen möchte, kann er das von nun an jederzeit und überall. Überlegt mal: Die Polizei hat unsere Daten aufgenommen, ebenso unsere Quartiergeber. Ist doch ein Klacks herauszufinden, wo wir wohnen.«
    »Rufen wir an Stefan Thuswalder wegen Hilfe, haben wir Karte?«, grübelt die Djurkovic vor sich hin.
    »Keine gute Idee. Willibald hat seinen Bruder samt Wagen vor dem Spital gesehen, ich hab diesen Wagen hinter der Busstation gesehen, Laurenz Thuswalder hat dafür gesorgt, dass uns die Polizei gehen lässt, und er hat dafür gesorgt, dass wir uns zur Bürglalm bringen lassen, um von dort aus durch die Nacht zu rodeln. Vielleicht stimmt ja auch was mit den Thuswalders nicht.«
    »Und was sollen wir jetzt machen?« Sophie Widhalm ist verzweifelt: »Wir haben nichts in der Hand. Und zur Polizei gehen können wir vergessen, denn vielleicht stimmt ja auch was mit Robert Fischlmeier nicht!«
    »Wir müssen, glaub ich, nirgendwo mehr hingehen.« Toni Schuster deutet zur Terrassentür hinaus. Ein silberner Familyvan ist vorgefahren.
    Das Ticken der Küchenuhr durchschneidet auf eine seltsam bedrohliche Art und Weise die Stille. Agnes Kalcher löst den Augenkontakt und blickt zu Boden, was in gewisser Weise das erste kleine Nachgeben bedeutet. Auch der Metzger blickt sich nun um, denn geheuer war ihm dieses gegenseitige Fixieren jetzt nicht, fast ein wenig, als stünde er vor einer Zeitbombe. Bedrückend ist die Stimmung, da nutzt auch die sehr farbenfrohe, fröhliche Atmosphäre nichts. Von überall, von den Wänden, den Buche-massiv-Küchenkästen, sogar von den Fensterscheiben lachen bunte Gemälde, eindeutig aus Kinderhand. Zwei Sonnen mit Füßen und Händen, die mit einem Rucksack entlang einer von drei lachenden Sonnenblumen gesäumten Straße marschieren; zwei kleine Sonnen, die, begleitet von drei Fischen, in einem Boot durchs Wasser rudern; drei Sonnen, die mit großen lachenden Mündern am Himmel stehen, während unten, Hand in Hand, zwei Mädchen in der Wiese stehen und nach oben blicken. Auf dem Küchentisch liegen unaufgeräumt einige Kartenspiele, ein Memory, ein Pferdequartett, ein Malkasten mit Wasserfarben, einige fertige und einige angefangene Blätter sowie ein gebundenes gelbes Notizbuch mit einer gelben Sonne darauf. Sonnen, so weit das Auge reicht, und das in finstrer Nacht.
    Es dauert, schließlich hebt Agnes Kalcher den Kopf, sieht ihrem unerwünschten Besucher erneut in die Augen, und nichts von der positiven Strahlkraft der sie umgebenden Himmelslichter ist in ihrem Gesicht wiederzufinden. Willibald Adrian Metzger kann sich nicht erinnern, jemals so hasserfüllt angesehen worden zu sein.
    »Mein Sohn ist tot. Reicht euch das noch nicht?«
    Das also sind sie, ihre ersten Worte, und sie sagen viel. Sie sind Eingeständnis und Rätsel zugleich. Besonders irritierend scheint dem Metzger neben der abgrundtiefen Verachtung vor allem dieses »euch«, wo er doch völlig allein mit Agnes Kalcher in der Küche steht. »Was die anderen wollen, weiß ich nicht, Frau Kalcher. Ich kenn ja diese anderen nicht einmal, ich sehe nur, dass Ihnen diese anderen offenbar nichts Gutes wollen, ansonsten würden Sie mir nicht mit so viel Abscheu entgegentreten. All das bestätigt meinen Verdacht, der Obdachlose Karl Schrothe könnte keines natürlichen Todes gestorben sein! Und glauben Sie mir: Ich möchte diese ganze Geschichte einfach furchtbar gern verstehen. Mein Besuch hier hat sich für meine Angehörigen und mich nämlich gerade zu einer ernsthaften Bedrohung entwickelt. Ein Besuch, hinter dem im Grunde eine gute Absicht steckt.«
    Nun mischt sich Zweifel in ihre Mimik, und der Metzger erspart sich jedes weitere Taktieren.
    »Vor einigen Tagen wurde ich im Park Zeuge, wie ein obdachloser junger Mann, regelmäßiger Bewohner einer Gartenbank, zum Lebensretter der kleinen Anna Kaufmann wird. Ohne sein Eingreifen wäre das Mädchen am Spielplatz vor den Augen ihrer Mutter Maria Kaufmann erstickt. Anna verliert dabei ihr Täschchen, ich finde darin eine Nummer, rufe an, Sie heben ab, Frau Kalcher, wie ich mittlerweile weiß, und legen sofort wieder auf. Ich bringe das Täschchen ins Spital und werde

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