Der Metzger geht fremd
auf einen anderen Kanal, bis sie eines Tages selbst auf der Bildfläche erscheinen.
Schonungslos ehrlich beantwortet der Metzger alle Fragen. Das Überraschende dabei ist der Ort dieser Gespräche.
Denn nachdem er seiner Danjela unter den Hintergrundgeräuschen des lodernden Hirzinger-Hofs, der Sirenen und des aufgeregten Geschreis die ganze Geschichte fertig erzählt hatte, hat sie umgehend, ganz nach der Devise »Keine Tag mehr ohne meine Willibald«, die Angelegenheit zur Chefsache erklärt.
So eindringlich, dass Prof. Dr. Berthold, dem ohnedies in den nächsten Tagen die Recherchen der Polizei ins Haus standen, eilends einem Kellner das Steuer seines Sportwagens anvertraute, um den geschundenen Willibald Adrian Metzger abholen, in Zimmer 3.14 einquartieren und wieder aufpäppeln zu lassen. Natürlich ohne vorher zu wissen, warum der aus der Feuersbrunst gesprungene Willibald unverletzt geblieben war und dass ein gleichermaßen vom Misthaufen aufgefangener stinkender Hund auf der hellen Lederrückbank des Autos Platz nehmen würde.
Und weil der Metzger so schonungslos alle Fragen beantwortet, führt das auch für ihn selbst immer mehr zur Klarheit und folglich zu einer weiteren erschreckenden Entdeckung.
Dieser Entdeckung geht die Bitte des Restaurators voraus, ein paar Spürhunden etwas aus Zimmer 3.15 vor die Nase zu halten und sie von mit Schaufeln und Spaten ausgestatteten Beamten begleiten zu lassen. Und wie er dann vom Ort seiner Hackenberger-Speckjause neben dem Marterl in den Wald geblickt und den fürsorglich lächelnden Herrgott gebeten hat, seine Vermutung möge nicht stimmen, war es zwischen zwei Tannen für einen Spaten mit der Stecherei vorbei, und dem dazugehörigen Beamten entfuhr in Anbetracht des Fundes ein angeekeltes »Oh Gott«.
Johanna war wiederaufgetaucht.
Wie als Grabbeigabe lag auf ihrer Brust ein Schlüsselbund, das sich später als das Schlüsselbund des Hausmeisters Ferdinand Anzböck herausstellte. Da war dem Metzger dann klar, warum Alexander Friedmann im Badebereich überall Zutritt hatte, warum er im selben Zeitraum wie der Hausmeister eine Affäre mit Johanna hatte und warum Johanna sterben musste.
Am zweiten Tag seines Aufenthalts im Sonnenhof wird der Willibald von der Kleinfamilie Kaiser-Reindl besucht.
Einen netten Spaziergang schlägt er vor, und kaum, dass sie aus dem Portal den Weg zum See einschlagen, wird ihm euphorisch quietschend verkündet: »Wir fahren ans Meer, ans Meeeeer, da schaust du, gell?«
Was sollen zwei Männer in Gegenwart eines fleischgewordenen Engels auch anderes tun, als ihn auf Händen zu tragen, um ihn fliegen zu lehren.
Franzi Kaiser hat sich diese Hände verdient.
»Und wohin?«, fragt der Metzger erstaunt.
»So wie das Kartenspiel. Drum hab ich mir's gemerkt. Wir fahren nach Solo!«
»Je-Solo, Franzi, Jesolo!«, meint der Reindl-Bauer schmunzelnd, um sich dann beim Metzger zu entschuldigen: »Ich hoffe, ich bin nicht verantwortlich für Ihr Unglück, weil ich Ihnen da erklärt hab, dass man sich, bis auf den Sascha, vor jedem der Hirzinger-Bagage in Acht nehmen muss! Und jetzt ist grad der Sascha der größte Teufel.«
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Die Hirzinger-Bagage – Teil 2
Hans Hirzinger wird im Unfallkrankenhaus von einem unbedarften Arzt mitgeteilt, dass er das mit dem Laufen für den Rest seines Lebens vergessen kann, er aber sonst pumperlgesund ist und sich an seiner Familie erfreuen soll. Das wird nichts werden. Auf ihn wartet neben den Strafen der völligen Einsamkeit in Freiheit und des langen Sterbens in Einsamkeit die unangenehme Frage bezüglich einer weiteren möglichen Vaterschaft. Er wird nur der Großvater von Xaver-Jakob bleiben und nicht auch noch sein Vater werden. Zu dieser Grausamkeit hat sich das gottverlassene Schicksal der leidgeprüften Paula nicht auch noch hinreißen lassen. Die andere Variante ist allerdings nur geringfügig besser.
Paula Hirzinger wird an der Seite ihrer einzigen Vertrauten, Schwester Martha, mit ihrer richtigen Schwester Luise und ihrem Sohn Xaver zusammentreffen, nie mehr einsam sein, sich nie mehr abgeschoben fühlen und auf ewig ihr letztes, schändliches Geheimnis in sich tragen.
Sie wird frei sein, ihr Zuhause als ihre wahre Heimat erkennen und nie aus den übersichtlichen Mauern innerhalb des Klosters in die unübersichtlichen Mauern außerhalb zurückkehren.
Und sie wird irgendwann tief in ihrem Innern heimlich und beschämt dankbar sein für die durch die schrecklichen Ereignisse dieser Woche
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