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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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baumeln gelassen werden, das außerhalb dieser überteuerten Tage weder registriert wird noch genau beschrieben werden kann.
    Maximal lässt die Seele den Menschen baumeln, weil sie ihn entweder hängen lässt oder weil sie selbst in angenehme Schwingung geraten ist und er zwangsweise mitschwingt.
    So schwingen sich also die Danjela, der Willibald und dort, wo es erlaubt ist, auch Edgar von einem wohligen Ort zum nächsten. Und weil der Hund der Hausordnung entsprechend eigentlich gar nicht im Sonnenhof und folglich ausnahmsweise nur im Djurkovic-Zimmer sein darf, verbringen die drei viel Zeit an der frischen Luft. Was ohnedies in vollem Umfang der letzten von Danjela Djurkovic festgelegten Grundsäule der Rehabilitation entspricht.
    Nur am Abend ist es mit dem Finden des wohligen Ortes keine leichte Angelegenheit, denn in der Kuranstalt herrscht eine Umtriebigkeit, die der Metzger mit: »Da geht's ja zu wie bei einer Versteigerung!« kommentiert, was ja in Anbetracht der aufpolierten Kurgäste gar kein so schlechter Vergleich ist.
    Demzufolge schleppt die Danjela den Willibald in ihre verbotene kleine Schweigeoase.
    Leer wirkt das Aquarium und zeigt sich in seiner ganzen unglaublichen Größe.
    Irgendwie verloren schwimmen ein paar bunte Fische herum.
    Genauso wie die Dimension des Beckens überwältigt den Restaurator die Entspannungsliege, nicht als Möbelstück an sich, sondern weil sie ihrem Namen wirklich alle Ehre macht.
    »Da steh ich heute nicht mehr auf, in diesem Friseursalon!«, meint er wohlig grunzend mit schelmisch auf Danjelas Kurzhaarschnitt gerichtetem Blick.
    In Verbindung mit der zur Frisur gehörenden Geschichte ist es für die rührige Djurkovic jetzt allerdings vorbei mit der Idylle: »Weiß ich, war nicht richtig, ihre Aufenthalt in Kuranstalt, aber gehen sie mir jetzt schon ab, meine Haifische!«
    Nur eine beschriftete Tafel mit einer entsprechenden Abbildung erinnert an die ehemaligen Gäste. Und weil der Metzger direkt daneben liegt, liest er beinah andächtig vor:
    »Der Schwarzspitzenriffhai ist ein wendiger Dauerschwimmer. Er kommt in weiten Teilen des Indischen und des westlichen Pazifischen Ozeans vor. Streckenweise ist er auch im Roten Meer zu finden und von dort über den Sueskanal ins Östliche Mittelmeer gelangt, wo diese beiden Exemplare beheimatet sind. Er bewohnt grundsätzlich nur Flachwasserbereiche, hier lebt er zumeist in Korallenriffen oder flachen Lagunen. Auch in…!«
    »Willibald bitte, hörst du auf mit Lesen. Ist so traurige Geschichte. Außerdem, was heißt, in Östliche Mittelmeer beheimatet sind. Muss heißen beheimatet waren, bevor Idioten haben herausgefischt und lebenslänglich eingewiesen in Kuranstalt. Hoffentlich sind Fische jetzt im Himmel. Sind wie Kinder, Tiere. Wehrlos gegenüber Mensch!«
    Und während es dem Metzger bei »Östliches Mittelmeer« diesen unsäglichen Pfarrer Bichler auf die geistige Bildfläche treibt, treibt der Pfarrer Bichler gerade mit schwarzer Badehose, weißem Leibchen und seinem silbernen Kreuz gemütlich durchs Wasser, den Herrn preisend für seine Schöpfung.
    »Na, meine zahnlose Willibald, bist du auch wendige Dauerschwimmer!«
    Es ist der letzte Spätnachmittag vor ihrer gemeinsamen Abreise, und die Djurkovic steht wie ein Bademeister am Steg, während der Metzger am Seeufer seinen weißen Sonnenhof-Bademantel ablegt, der sich von der darunter zum Vorschein kommenden Haut im Farbton kaum abhebt.
    Zu dem über den See hallenden und vor allem alles andere als ernst gemeinten Pfiff seiner Danjela hat der Metzger nichts weiter zu sagen als: »Dafür hab ich die weitaus schöneren Füße als dein Ex Jakob Förster!«
    Ohne mit der Wimper zu zucken, steigt er, bekleidet mit bis zu den Knien hinunterreichenden ausgeborgten grünen Shorts, ins Wasser und beginnt, während sich die Badehose aufbläht wie ein läufiger Laubfrosch, mit der Präsentation seiner Schwimmkünste.
    In Brustlage ähneln seine äußerst gemächlichen Bewegungen zwar insofern den offiziellen Tempi, weil er seine Hände vor sich kreisförmig durchs Wasser bewegt; auf dem Rücken allerdings betreibt der Metzger nichts anderes als den toten Mann mit gelegentlichen Ruderschlägen der Arme und sporadischen Grätschbewegungen der Beine.
    Grad dass er nicht stehen bleibt.
    Das, was er da veranstaltet, hält ihn jedoch über Wasser, und genau daraufkommt es an. Die Djurkovic kann sich kaum halten vor Lachen und meint unter Tränen: »Ist eine Wunder, dass so große,

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