Der Metzger geht fremd
außerdem: Ich heiß nicht Prinzessin, sondern Kaiser!«
Franzi Kaiser zieht ihre Augenbrauen zusammen, bewaffnet sich mit einem perfekten Schmollmund und verschränkt die Arme. Nur um abermals von ihrem Papa belästigt zu werden.
»Pfui, du bist ein Stinker!«
Energisch schiebt sie den schmunzelnden Günther Kaiser von sich weg.
»Aber der Opa raucht auch manchmal, und der darf dich abschmusen!«
»Der Opa, der raucht Pfeife, und das riecht gut! Aber du stinkst! Außerdem raucht er die nur, wenn ich sie ihm stopf!«
»Du kannst mir ab jetzt auch meine Zigaretten vor die Tür bringen, wenn du willst!«
Jetzt sind die Augenbrauen hochgezogen, grad dass nicht auch noch ein kleiner Zeigefinger gegen eine kleine Stirn klopft.
»Opa, magst du eine Pfeife? Wart, ich hol sie dir!«, gibt Franzi Kaiser ihrem Vater eine Einschätzung bezüglich der Erfolgschancen seiner Dienstleistungswünsche und läuft, ohne die Entscheidung des höchst amüsierten Reindl-Bauern abzuwarten, die Stiegen hinauf in sein Zimmer.
Da hat der Reindl-Bauer beim Austeilen im Uhrzeigersinn noch nicht einmal jedem drei Karten hingelegt, schon tönt es von oben herunter: »Papa, Opaaaaaa, schnell, schneeeeeeeell! Ich glaub, da hinten beim Wald, wo der Hirzinger-Hof ist, da brennt was! Was ganz Großes!«
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E IN JAHRHUNDERTREGEN bedeutet natürlich nicht, dass in einem Haus kein Feuer ausbrechen kann. Wenn man im Heuschober und an diversen strategisch wichtigen Punkten mit ein wenig Benzin nachhilft, wird dieses »Ausbrechen« sogar ganz und gar seinem Namen gerecht: Als wäre es seit Ewigkeiten am Hirzinger-Hof eingeschlossen gewesen, befreit sich ein gigantisches Flammenheer und erhellt eindrucksvoll die Nacht.
Edgar läuft mittlerweile panisch hin und her, der Metzger hat es zumindest schon ins Sitzen geschafft. Lange kann es nicht mehr dauern, bis das Feuer den Dachboden erreicht. Der Hirzinger-Bauer hat aufgehört zu jammern. Unter der Wolldecke dringt ein monotones Gemurmel hervor. Auch ohne entsprechende Vorbildung ist dem Metzger klar: Hans Hirzinger betet.
Das hilft jetzt garantiert, geht es ihm durch den Kopf. Da hat der Herrgott sicher seine Freude, wenn den Menschen in Anbetracht der Tatsache, dass sich jemand mit meuchlerischer Absicht ohne seine himmlische Genehmigung an das wunderbare Geschenk des Lebens heranmacht, nichts anderes einfällt als ein Gebet. Ein bisschen mehr Kreativität wäre da schon angesagt.
Im Metzger haben alle Lebensgeister Hochbetrieb. Sosehr ihm auch die Schnur in Hände und Füße schneidet, sein Körper hat das Schmerzempfinden abgeschaltet. Hellwach mustert er sein Umfeld: »Irgendwo muss sie sein, die zündende Idee«, geht es ihm durch den Kopf.
Der Dachboden füllt sich mit Rauch, ein Zischen, Knistern, Knarren und Krachen bebt durch den Bauernhof. Unter dem Türspalt zum Stiegenhaus beginnt ein beängstigendes Farbenspiel.
Obwohl die Temperatur erheblich angestiegen ist, ist es kalter Schweiß, der sich da auf der Stirn des Metzgers zusammensammelt: die ersten Anzeichen seiner mit Atemnot und klaustrophobischen Zuständen verbundenen Rauchallergie.
Die beiden Männer husten, Edgar bellt und würgt.
Dann fängt die Tür Feuer und wirf ein grelles Licht in den Raum.
Es blitzt.
Ganz klein, vor den Augen des Willibald.
Klein, aber sehr bedeutsam reißt sie ihr Maul auf und funkelt ihm entgegen. Sie muss aus der rechten Jacketttasche gefallen sein, während Edgar seine triumphale Runde zurückgelegt hat.
Energisch lässt sich der Metzger zur Seite kippen, er windet sich röchelnd, verrenkt die gefesselten Arme, bewegt seine zusammengebundenen Hände. Die Augen brennen, alles verschwimmt. In diesem Fall reicht ihm aber auch der Tastsinn seiner gespreizten Finger, sie wissen zur Genüge, welchen Gegenstand sie suchen und wie er sich anfühlt.
Die Tür brennt lichterloh, ein Holzbalken hat Feuer gefangen.
Dann hat er sie.
Die Nagelzwicke seiner Mutter!
Bei feinmotorischen Aufgaben erfassen ihn für gewöhnlich absolute Konzentration und Ruhe. Jetzt allerdings zittern ihm die schweißnassen Hände. Immer wieder rutscht die Nagelzwicke aus der gewünschten Position.
Doch wenn es um handwerkliche Angelegenheiten geht, sind seine zittrigen, feuchten Restauratorenfinger immer noch weitaus geschickter als manch ruhige Elektriker- oder Zahnarztpfote.
Und dann ist es so weit, mit dem so vertrauten Geräusch beginnt die Nagelzwicke derart nachdrücklich ihre Tagewerk, der Metzger hätte es nicht
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