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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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seine Zehe. So eine dermaßen gigantische große Zehe hat der Willibald noch nie gesehen. Breit und lang überragt sie an beiden Füßen ihre vier Artgenossen auf derart eindrucksvolle Weise, als wäre eine Salatgurke zwischen ein paar Essiggurkerln gerutscht. Es gibt sie also doch nicht, die makellose Schönheit, denkt sich Willibald Adrian Metzger beruhigt und vergisst, dass sich das weibliche Verständnis von Makellosigkeit nicht einmal annähernd mit dem männlichen deckt. Denn auch so eine Zehe kann eine schwärmerische Dame nicht bremsen. Folglich entfleucht der Danjela in Gegenwart des braun gebrannten Adonis ein auffällig zartes, bemüht akzentfreies »Hallo«.
    »Hallo, Frau Djurkovic!«, kommt es freundlich retour, kombiniert mit einem Lächeln von der Sorte: Ich kann jede haben.
    »So schlecht geht es dir hier ja offensichtlich nicht!«, meint der Metzger etwas spitz und setzt fort: »Und, wer war er, und wer warst du, Cary Grant und Doris Day?«
    »Willibald. Schaust du mich an und denkst du an Doris Day. Wie lieb!«
    Es ist eine hohe weibliche Kunst, zum richtigen Zeitpunkt alles gänzlich anders zu verstehen, als es gemeint war.
    »War nur meine Physiotherapeut Jakob Förster!«
    »Physiotherapeut. Aha.«
    Bevor sich der Metzger den masochistischen Überlegungen hingibt, wie nun so eine physiotherapeutische Behandlung aussehen könnte, wechselt er das Thema: »Du bist dir aber schon im Klaren, dass du dich gerade mit diesem Gekicher nicht unbedingt beliebt gemacht hast, oder? Muss ich aus lauter Sorge jetzt hier einziehen?«
    »Gute Idee mit Einziehen, ist nur leider verboten. Machst du dir keine Verdruss. Die Leimböck ist Feindin hier von fast alle Frauen. Brauchst du nur haben kleinere Hintern, größere Busen oder stabilere Dauerwelle. Außerdem, Helene Burgstaller und ich sind sowieso ganz oben auf Leimböck-Liste, weil können wir immer so viel lachen zusammen, meistens eben über Leimböck samt ihre paar aufgeblasenen Badenixenschwadronen!«
    Das Lachen wird der Djurkovic noch ganz schön vergehen.
    »Hast du gehört, was hat gesagt Anzböck? Ist schon komisch, weil kann ich mir nix vorstellen, dass Friedmann hat gehabt hier Techtelmechtel mit Leimböck oder sonstwen. War so eine ruhige, zurückgezogene Mann!«
    Das kostet jetzt den Metzger einen Lacher: »Ich hab's dir vorhin schon gesagt. Bei allem Respekt vor deinem Instinkt, aber täusch dich nicht. Stille Wässerchen…!«
    13
    A UCH DER K AFFEE IM R ESTAURANT ist ein stilles Wässerchen, um nicht zu sagen: ein Graus, das Publikum eine Zurschaustellung an Geschmacklosigkeiten, Helene Burgstaller auf Anhieb ein Lichtblick. Ganz begeistert ist der Metzger von dieser humorvollen, hochintelligenten und vor allem aufgeschlossenen vierzigjährigen Frau. Ein Schlaganfall mit einer kaum sichtbaren Restlähmung der rechten Gesichtshälfte und der Prognose: »Das wird schon wieder« hat sie hierher gebracht.
    »In dieser netten Gesellschaft bist du ja gut aufgehoben, freut mich für dich!«, flüstert er seiner Danjela zu und ist sich nicht ganz sicher, ob da nicht ein Funken Eifersucht in den leuchtend grüngrauen Djurkovic-Augen zu sehen ist. Wenn Männer in weiblichen Augen einen Funken Eifersucht wahrnehmen, ist längst Feuer am Dach.
    Die Danjela hat sie nämlich sofort bemerkt, diese heftigen Wellen der Sympathie zwischen ihrem zahnlosen Willibald und der heute besonders gut gelaunten Burgstaller. Und wie dann die nette Helene mit ihrem Wissen über Biedermeiermöbel, altdeutsche Schreibtische und Barockengelchen zu protzen beginnt, als ginge es um eine Restauratorenlehrstelle, spürt der Metzger unterhalb der Tischkante ein schmerzhaftes Zwicken im Oberschenkel, oberhalb begleitet von einem sehr bestimmten: »Gehn wir, Willibald, möcht ich noch Runde spazieren, bis Einzeltherapiestunde«, wobei die Djurkovic ihr Sprechtempo beim letzten Wort völlig bewusst und unüberhörbar entzückt einbremst.
    »Einzeltherapiestunde? Mit wem?«
    »Na alleine, heißt ja ›einzel‹!«
    »Du mit dir alleine?«
    »Nein, mit Jakob Förster!«
    »Turnen, alleine mit Jakob Förster. Na wunderbar.«
    Lange wird nichts gesprochen, nur eingehängt zum See geschlendert, bis der Metzger das Schweigen bricht: »Nicht, dass das jetzt zur Gewohnheit werden soll, aber ich find es wirklich unglaublich entzückend, wenn du eifersüchtig bist.«
    »Ich eifersüchtig, wo …!«
    Ein Kuss verunmöglicht der Djurkovic, den Rest des Satzes über die Lippen zu bringen. Der

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