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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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das stimmt, wirklich nicht zu übersehen, nur von artig kann ja bei einer ›Dame‹ wie Ihnen kaum die Rede sein. Möchte nicht wissen, wie viele Zimmer Sie im Hotel Sonnenhof schon von innen gesehen haben!«
    »Sind wir ein wenig neidisch, Anzböck? Haben Sie ja auch allen Grund dazu, denn bevor sich eine Dame in die Dienstwohnung eines so aufgeblasenen Gartenzwergs wie Ihnen verläuft, geht sie ins Kloster!«
    Keinem der Anwesenden ist die beängstigende Aggressionssteigerung des Gesprächs entgangen. Mit der letzten Bemerkung dürfte die Leimböck allerdings einen mächtigen Schritt zu weit gegangen sein. Schlagartig verändert Ferdinand Anzböck seine Strategie: »Na, dann müssen ja Ihrerseits schon recht ausführliche Runden durch diverse Arkadenhöfe zurückgelegt worden sein, Gertrude Leimböck, denn das Spitzenhöschen, Größe Kinderhängematte, das da seit letztem Mittwoch in meiner Nachtkästchenlade auf die Rückkehr seiner Besitzerin wartet…«, bevor der Anzböck den Satz vollendet, folgt eine dramaturgische Pause, die er einzig und allein dazu nutzt, sein Ziel, Gertrude Leimböck, über die Pfeilspitze des gespannten Verbalbogens hinweg mit eiskalter Entschlossenheit anzuvisieren, »… denn dieses Höschen ist von dir !«
    Volltreffer.
    Die Leimböck wird rot, der Anzböck schmunzelt, und die Djurkovic kichert, was dem Metzger bei Weitem unangenehmer ist als das eben Gehörte. So ein leises Kichern in die stille Bestürzung hinein ist nämlich nicht zu überhören. Und vor allem nicht zu vergessen, besonders für die eben Bloßgestellte, die trotz all ihrer Betroffenheit Zeit für einen kurzen verächtlichen Blick in Richtung Danjela Djurkovic hat.
    »Gertrude, mit dem? Also pfui!«, wendet sich eine ältere Dame erbost ab, rudelartig gefolgt vom Großteil der Anwesenden.
    Dann findet klatschend eine Ohrfeige ihr Ziel: »Du elendes Schwein, wir haben uns versprochen, dass das unter uns bleibt!« Gertrude Leimböck steht verlassen mit hochrotem Kopf vor einem zufrieden grinsenden Ferdinand Anzböck: »Erstens war ich betrunken, anders wärst du mir ja gar nicht passiert, und zweitens haben sich doch offensichtlich eben die Spielregeln geändert! Übrigens denk ich, ist unser kurzes Abenteuer wohl der einzige Grund für eine etwaige posthume Verbrüderung mit Herrn Friedmann, oder?«
    Wahrscheinlich aus Symmetriegründen wird umgehend, abermals klatschend, die andere Anzböck-Gesichtshälfte bedient: »Du gehörst deinen Fischen zum Fraß vorgeworfen. Ich könnte dich …!«
    »Was?«, fragt der Anzböck nun deutlich ruhiger. »Was könntest du? Überleg dir, was du sagst, Gertrude Leimböck. Überleg dir das gut.«
    Dann passiert das Unausweichliche, der letzte verzweifelte weibliche Rettungsanker im anscheinend verlorenen Gefecht: Gertrude Leimböck breitet sich in ihrer ganzen Pracht zu Füßen ihres Angreifers aus, der dazu, als wäre er doch ein Italiener, mit verdrehten Augen meint: »Mamma mia!«
    Eine kleine Ohnmacht also, die aufgrund der scheinbaren Eigendynamik eines Bademantels an nicht unwesentlichen Körperstellen unbedeckt endet. Scheinbare Eigendynamik deshalb, weil sich der Metzger jetzt nicht ganz sicher ist, ob die während des Zusammensackens den Bademantel öffnende Handbewegung der Gertrude Leimböck als zufällig bezeichnet werden kann. Sprachlos ist er aber dennoch. Herr Anzböck beugt sich hinunter, ohne Anstalten zu machen, die offengelegten Einsichten nicht noch länger ertragen zu können, und schüttelt die Leimböck mit entsprechend schwungvollen Konsequenzen. Dann folgt die längst fällige Retourkutsche. So lange tätschelt er beherzt die Leimböck-Backen, bis unweigerlich der rettende Augenaufschlag folgt. Wer lässt sich schon freiwillig mehrfach ins Gesicht schlagen?
    »Gehen wir. Ist genug Stegreiftheater für ganze Leben!« Die Djurkovic zieht ihren Willibald an diesem bedauerlichen Schauspiel vorbei, während sie ein vom Metzger durchaus registriertes beinah pubertäres Lächeln auf ihre Lippen zaubert. Ein nicht für ihn gedachtes Lächeln, denn ein stattlicher braun gebrannter Mann in hauseigener weißer Tracht marschiert eilig an ihr vorbei, den Blick geradeaus, ganz auf die am Boden liegende Gertrude Leimböck gerichtet. Auch der Metzger blickt hinunter und wird wohl danach so schnell nicht ans Schlafen denken können. Denn was er zu Gesicht bekommt, sind nicht nur die Schlapfen des vorbeihuschenden Schönlings, sondern klarerweise auch seine Zehen.
    Oder

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