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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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mit Sack und Pack schockiert auf und davon, natürlich nicht ohne davor den Fliesenboden aufzuwischen.
    • Oder August-David Friedmann wurde bereits tot vom Gang aus ohne einen Spritzer Wasser ins selbe befördert.
    »Oder von der anderen Seite«, äußert sich der Metzger, der es sich mittlerweile im herrlichen Fauteuil neben dem Sofa bequem gemacht hat, während seine Danjela ruhelos im Zimmer auf und ab geht.
    »Aber direkt bei Beckenrand auf andere Seite ist Glasscheibe, große Fensterfläche, große Horror zum Putzen!«
    Mit einem »Und?« seitens des Metzgers wird ein langes Gähnen abgerundet.
    »Na geht keine Weg vorbei!«
    »Und? Man kann jemanden ja auch geräuschlos durch eine Glasscheibe befördern, vorausgesetzt, sie lässt sich öffnen!«
    »Gut!« Die Djurkovic-Augen werden staunend größer, während den Metzger-Pupillen nur noch ein sehr schmaler Sehschlitz bleibt.
    »Sehr gut!«, steigert sich nun Danjelas Begeisterung. »Fenster sind bei Schönwetter immer offen, was bedeutet: Fenster gehen auf von außen!«
    »Na siehst du! Wahrscheinlich ist er trotzdem eines natürlichen Todes gestorben!«
    »Nackert? August-David Friedmann, der ruhigste und einzigste Mann in Anstalt, garantiert ohne Jägerei auf Schürzen oder Hosen oder sonst was!«
    »In den ruhigsten Menschen kann man sich aber am meisten täuschen, sag ich dir!«
    »Stimmt, kann man sich täuschen, nur nicht Djurkovic. Hab ich Auge für so was wie Röntgen!«
    »Wenn du schon so einen durchleuchtenden Blick hast, dann sei so gut und sag mir, wem der gehört?«
    Verwundert sieht die Djurkovic zu, wie sich der Metzger nun aufrafft, den Schlaf aus den Augen reibt, ins Badezimmer geht, in seiner Hosentasche herumkramt, einen Gegenstand ziemlich gründlich im Waschbecken abspült und wie eine Trophäe präsentiert.
    Die Gänsehaut läuft ihr den Rücken hinunter, natürlich aus Eigenverschulden, denn diesen aufgeregten, feierlichen Gedankenschluss hat sie rein ihrer romantischen Phantasie zu verdanken und nicht der Tatsache, dass ihr Willibald einen Goldring in seiner Hand liegen hat.
    »Da fahr ich mit dem Rad vom See zurück…«
    Und dann schildert der Metzger, was die Djurkovic zuerst eigentlich gar nicht hören will. Am Ende dieser Ausführungen ist sie zwar etwas verärgert über die eigene Naivität, aber wieder ganz Herrin ihrer schier grenzenlosen Neugierde.
    »Gib her!«, meint sie kurz, betrachtet den gereinigten Ehering, so wie ihn jede Frau betrachten würde, nämlich von innen nach außen.
    »Ja, kann ich sagen, wen hat gehört bevor schmerzhafte Trennung! Wett ich, Frau von Friedmann rennt herum seit Vormittag mit eine Finger weniger!«
    Wo vorhin getrocknetes Blut klebte, steht nun in eingravierten feinen kursiven Lettern zu lesen:
    »August-David, 1.4.1974«
    12
    »Z EIT FÜR N ACHMITTAGSJAUSE! «, kündigt die Djurkovic den versprochenen Zoobesuch an.
    Halbwegs instand gesetzt betreten die beiden also den Gang und stoßen auf Betretenheit. Denn auch beim Zimmer 3.15 öffnet sich die Tür. Dem sich die Haare richtenden Herrn ist dieses unverhoffte Aufeinandertreffen sichtlich unangenehm. Älter als dreißig ist der nicht, überlegt der Metzger, während der Gemeinte dermaßen rot anläuft, dass jeder Verkehr sofort zum Stillstand käme. Ein Feschak, wie er im Buche steht, und mit dieser vor Kraft strotzenden Sanftheit, bei der selbst atheistische Schwiegermütter ihr Kerzerl anzünden gehen: bei funktionierender Ehe der eigenen Tochter offenkundig und dankbar in diversen Gotteshäusern, bei nicht funktionierender Ehe der eigenen Tochter heimlich und hoffnungsfroh im eigenen Schlafzimmer. So wie es aussieht, dürfte der junge Mann auch die Mütter den Töchtern vorziehen.
    Sichtlich peinlich berührt wird ein von beiden Seiten freundlicher Gruß ausgetauscht, und erst nachdem der Herr im Stiegenhaus verschwunden ist, meint der Metzger, seiner Danjela zugewandt, mit kritischem Blick: »Der persönliche Service durch die Hausangestellten dieser Anstalt wird aber hoffentlich nicht von allen Gästen wahrgenommen?«
    »Erstens klingt diese Service eher nach Abfertigung, und zweitens glaub ich, dass diese Gigolo arbeitet mehr in Kuranstalt als für Kuranstalt!«
    Weiter als bis ins Erdgeschoss ist den beiden dann jedoch die Erörterung dieses durchaus spannenden Themas nicht vergönnt. Denn vor ihnen bietet sich ein ungewöhnliches Bild: Zwei kleine Gruppen stehen sich gegenüber, aufgepflanzt wie zwei als sichtbare Grenzzüge

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