Der Metzger geht fremd
Innentasche seines Jacketts, und alle tragen sie die Buchstaben » W. A. M.« in Kursivschrift eingestickt. Zum Glück sind sie weiß, die Metzger-Schnäuzfetzen. Der Finder eines gebrauchten könnte da beim Betrachten der Anfangsbuchstaben fast meinen, den getrockneten Nasenrammel von Mozart in Händen zu halten. Ja, selbst für den hätte so mancher mehr im Börserl als für Menschen, die ihren eigenen fressen müssen.
Das Stofftaschentuch am Fuße des Buchsbaums ist mit einem schwarz-weiß-grün-braunen Streifenmuster versehen, da kann man also einiges unterbringen, bevor es offensichtlich in die Wäsche muss. Das vorliegende Exemplar scheint auf den ersten Blick unbenutzt, riecht seltsam süßlich und hat ebenfalls Initialen eingestickt, wenn auch weit weniger kunstvoll. Eher so, als hätte es ein Grundschüler dank des wohl einzigartigen Ideenreichtums der Lehrkraft zum Muttertag heimgeschleppt.
Deutlich lesbar steht am braunen Zipfel: » F.A.«
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H EKTISCH JAGEN DIE S CHEIBENWISCHER über die Windschutzscheibe. Selbst mit der größten Geschwindigkeit sind sie der Heftigkeit des Regens, der sich vom Himmel stürzt, nicht gewachsen. Einer Heftigkeit, als gelte es, diese Welt fortzuspülen. Nur sie lässt sich nicht fortspülen, schon gar nicht die innere. Der eigene Kosmos ist das auf die Welt gerichtete Teleskop. Durch dieses Glas blickt der Mensch ins Leben, mit seiner ureigensten Verzerrung, stellt dort scharf, wo er es für nötig hält, sieht dort verschwommen, wo es besser ist, nicht hinzusehen.
Sie hat sich gemeldet, endlich.
»Was ist los, was ist passiert, wo bist du?«, war seine Frage.
Mit schwacher Stimme folgte ihre Antwort: »Hier. Ich bin hier!«
Seit Jahren haben sie sich nicht gesehen. Telefonieren war ihr einziges gegenseitiges Zugeständnis, mehr hätten sie nicht gewagt. Und nun ist sie hier. Er wird sie wiedersehen. Sein Herzschlag dröhnt ihm in den Ohren, unerträglich laufen seine Gedanken im Kreis und stehen mit einem Mal still: »Sie ist nicht wegen mir gekommen!«
Laut brüllte er einen Schrei der Verzweiflung ins dumpfe Innere des Wagens. Warum musste er den Stein ins Rollen bringen? Diese zwanghafte Ehrlichkeit. Wäre sie ihm doch nur ein einziges Mal gelungen, die Klugheit des Verschweigens.
Trotz seines aufgewühlten Zustands überholt er mit ruhiger Hand die selten vor ihm auftauchenden, dahinschleichenden Fahrzeuge. Der Mensch ist so von seiner Gewohnheit gelähmt, dass er zwar innerhalb seines Programms scheinbar unbeirrt durchs Leben gleitet, es aber außerhalb, oder allein beim Gedanken an dieses Außerhalb, mit der Angst zu tun bekommt. Und doch ereignen sich die größten Tragödien inmitten des selbst gewählten Gleichklangs, auf genau dieser geläufigen Spur.
Wie an der Scheibe vor ihm rinnen die Tropfen über sein Gesicht.
Nichts wird bleiben, wie es war.
Die Reifen surren über die nasse Fahrbahn. Ihm scheint, dem Teufel kämen gerade vor Lachen die Tränen. Dann zuckt er zusammen.
Nur mit aller Gewalt kann er den Wagen unter Kontrolle halten und rechtzeitig zum Stillstand bringen.
Mitten auf der Straße steht eine heruntergekommene ältere Frau. Völlig durchnässt, in Ordenstracht. Blass und eingefallen leuchtet ihr Gesicht im Scheinwerferlicht. Apathisch blickt sie ins Leere. Und obwohl er sie in dieser Gegend noch nie gesehen hat, obwohl sie sich in ihrem schrecklichen Zustand selbst fremd zu sein scheint, strahlt sie Wärme und Vertrautheit aus.
Von ihrer Hand tropft Blut.
Dann sinkt sie auf die Knie.
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D ER M ETZGER STEHT , mit einer vom Regen geprügelten, buckligen Haltung, völlig durchnässt in der kniehohen Futterwiese, direkt neben einem Elektrozaun und den dahinter gleichgültig weidenden Kühen. Kein Wunder, wenn bei solch einer verdrießlichen Gesamtsituation schlagartig unerfreuliche Erinnerungen aufblitzen. Die Zuwendung, die dem Außenseiter Willibald Adrian durch seine lieben Mitschüler während seines ersten und zugleich letzten Wandertags in Verbindung mit elektrischen Zäunen zuteilwurde, kann nämlich durchaus als schlagartig bezeichnet werden. Nie zuvor und nie wieder hatte man ihn so oft an der Hand genommen. Wahrscheinlich zeigt der Himmel nun deshalb ausnahmsweise Herz und schickt einen Engel.
Anders kann es sich der Metzger nämlich nicht erklären, dass da jetzt trotz höchst widriger Bedingungen ein Wagen hält, ein junger Mann aus dem dunkelblauen Transporter steigt und, von den herabstürzenden Wassermassen
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