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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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hochgezüchtete Thujenhecken. Der zwischen den beiden Parteien gehaltene Sicherheitsabstand von etwa drei Metern böte für etwaige Passanten zwar einen ausreichend breiten Gang, nur wer spaziert schon freiwillig die Front entlang, außer er ist Feldherr, Kriegsberichterstatter oder Meteorologe? Der Metzger und die Djurkovic bleiben also stehen und lauschen den derben Äußerungen.
    Und diese versetzen die Danjela durchaus in Staunen. Nicht den Metzger, der weiß dank seiner regelmäßigen Besuche auf diversen Auktionen bereits: Je größer der Wohlstand der Kontrahenten, desto niedriger das Niveau des Wortgefechts. Eine Fraktion in Bademänteln liefert sich mit einer herausgeputzten Fraktion in markenschwangerer Nachmittagsjausenbekleidung vordergründig einen heftigen Disput über die soziale Verantwortung gegenüber den ehemals lebendigen Kurgenossen. Hintergründig geht es natürlich um etwas gänzlich anderes.
    Fadenscheiniger Inhalt der Auseinandersetzung dürfte das Thema »Benutzung oder eigentlich Nichtbenutzung des Wellnessbereichs« sein, denn eine Dame in weißem Frottee meint lautstark mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme: »Und wir gehen trotzdem. Das schau ich mir an, wie uns der ehrenwerte Professor Berthold verbieten will, wenigstens die Sauna zu benutzen. Erstens zahl ich dafür, zweitens kann der hier zusperren, wenn er seine Gäste, von denen er sich ohnedies das Geld für jeden noch so minderen Service in den Arsch schieben lässt, nach Hause schickt, und drittens: So wie heute Morgen kann ein Professor Berthold eventuell mit seinem Personal reden, aber garantiert nicht mit uns.«
    Ein wohlwollendes Gemurmel lässt die transpirationsbedürftige Truppe in ihren strahlend weißen Mänteln wirken wie eine Schar Zisterziensermönche beim Stundengebet. Dann erhebt deren Fürsprecherin abermals die Stimme: »Diesem miesen Personal hier, in diesem absolut überbewerteten Haus, gehören sowieso längst einmal ordentlich die Leviten gelesen!«
    Aus dem Hintergrund hat sich mittlerweile ein untersetzter, kleinwüchsiger Herr mit hoffnungslos abstehenden Ohren, blank polierter Stirnglatze und lang gezogenem Gesicht zur Jausentruppe dazugesellt, der zwar in seiner Bademeistermontur kleidungstechnisch überhaupt nicht dazupasst, diesen Makel jedoch inhaltlich eindrucksvoll kompensiert. Seine helle Stimme setzt sich schneidend über das Gerede hinweg, und würde er nicht wirklich absolut akzentfrei klingen und ebenso aussehen, einen prächtigen Südländer gäbe er ab. Wild gestikuliert er, als ginge es darum, eine ambitionierte Standchoreografie zur Uraufführung zu bringen. Mit ausladenden Bewegungen saust beim Sprechen sein linker Arm durch die Gegend: »Da geht es aber gar nicht ums Verbot, Frau Leimböck. Zumindest ein wenig Ehrerbietung hat sich der verstorbene Friedmann, Gott hab ihn selig, verdient. Ziemlich pietätlos, jetzt baden oder sonst was gehen zu wollen! So viel Egoismus hab ich noch selten erlebt, das sag ich Ihnen!«
    »Ah, der Herr Anzböck. Was sind Sie: Hauswart, Bademeister, Chlorgehaltmesser, Fischerlfütterer? Bin mir nicht sicher, ob Sie hier überhaupt was zu sagen haben, und dann in diesem Ton! Da können Sie sicher sein, dass das erhebliche Konsequenzen für Sie hat. Außerdem, was bitte hat das Benützen der Sauna oder des Schwimmbads mit dem Friedmann zu tun? Erstens ist der dort ohnedies längst nicht mehr auf Tauchstation, und zweitens, glauben Sie mir, Anzböck, allein die Vorstellung, mit Ihnen im Becken zu sein, empfinde ich als weitaus unappetitlicher als das Planscherl mit einer Leiche!«
    Gelächter auf der frommen Seite. Angespornt von dem anscheinend hohen Unterhaltungswert ihres Vortrags, setzt Frau Gertrude Leimböck fort: »Und außerdem: Hat sich da eben erstaunlicherweise gerade aus Ihrem Mund das Wort Pietät verirrt? Nur weil Sie zwangsweise aus Ihrem unteren Stockwerk etwas andere Aussichten genießen als unsereins, besitzen Sie noch lange nicht die Freikarte, uns Damen ständig ins Dekolleté oder dermaßen penetrant auf unsere gewiss großartigen Hintern zu glotzen. Bekommen Sie im Saunabereich nicht genug zu sehen? Das wäre für Sie ja übrigens ein prächtiger Grund gewesen, sich mit dem Herrn Friedmann, wer auch immer ihn selig hat, beinah brüderlich zu vereinen. Der hat auch gegafft wie ein Zwölfjähriger in der Damendusche.«
    Wieder Gelächter, diesmal etwas verhaltener, als könne man in die Zukunft blicken.
    »Großartiger Hintern? Groß ist er,

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