Der Metzger geht fremd
nicht uns zu, sondern dem Glatzerten!
Ernst: Vielleicht wird das der Neue. Schöner als der Alte ist er ja. Wahrscheinlich bekommt er gerade seine Einweisung im Küberlausleeren und Fischfutter-für-die-Winzlinge-Einwerfen oder weiß Poseidon!
Anton: Ernst, du überraschst mich immer wieder! Seit wann glaubst du an Gott?
Ernst: Der alte Poseidon, der schaut schon auf die Seinen.
Anton: Da muss er sich aber gerade ganz versunken mit seinem Dreizack ein paar Speisereste zwischen den Eckzähnen herausgekratzt haben, wie wir aus unserem wunderbaren Korallenriff gefischt und in dieses mickrige Becken umgesiedelt worden sind. Unter »auf die Seinen schauen« versteh ich was anderes. Das sa…
Ernst: Woher willst du wissen, ob es das Meer da draußen überhaupt noch gibt? Vielleicht gehören wir mittlerweile zu den letzten Überlebenden.
Anton: Ausgestellt vor verrunzelten Menschen am Arsch der Welt? Das glaubst du doch selber nicht.
Ernst: Auch wieder wahr! Aber ich bin sicher, wir kommen hier schon noch auf unsere Rechnung!
Anton: Auf unsere Rechnung? Kam das gerade aus deinem Mund? Dass ich nicht lach! Früher, so hat mir zumindest mein Onkel Horst erzählt, ist wenigstens öfter mal ein Gaul ins Meer gefallen, weil die Seefahrer noch mit ein bisserl Frischfleisch bei unserem Herrgott um eine sichere Überfahrt bitten wollten. Das war dann ein Festmahl. Aber heute! Das Einzige, was heutzutage ins Meer fällt, sind ungenießbare Abfälle, merkwürdige Tonnen, und gelegentlich ein Mensch mit Gewichten an den Füßen.
Ernst: Achtung Anton! Da kommt was!
Anton: Um Gottes willen, was war das denn?
Ernst: Ich fass es nicht! Ist das nicht irre?
Anton: Wahnsinn! Ein Pferdeopfer. Mehr oder minder!
Ernst: Hab ich's nicht gesagt? Wir kommen auf unsere Rechnung. Ehre sei Poseidon in der Tiefe und Frieden im Wasser den Fischen seiner Gnade!
Anton: Halleluja! Die Ohren gehören mir!
23
»O FFEN GESTANDEN, SIE HAT ganz einfach offen gestanden, und ich bin hinein!«, schallt es über den See.
Verwundert nimmt Willibald Adrian Metzger schon von fern wahr, dass an diesem strahlenden Vormittag irgendetwas auffällig viele Gäste aus dem Haus gelockt hat. Während sein Rad den Kieselsteinweg zum Eingang der Kuranstalt entlangknirscht, rechnet er noch mit einer Verkaufsveranstaltung, beispielsweise für Beauty-Pflegeprodukte auf Totes-Meer-Salz-Basis oder der Werbeveranstaltung eines plastischen Chirurgen. Und obwohl er mit plastischer Chirurgie, Meer und Tod im weitesten Sinn gar nicht so danebenliegt, täuscht er sich doch. Und zwar gründlich.
»Wie soll ich wissen, dass da noch zu ist, obwohl die Tür offen steht?« Eine aufgeregte Menschenmenge füllt den Raum unter dem überdachten Hauptportal der Kuranstalt, in deren Mitte, völlig außer sich, eine schlanke Dame mittleren Alters steht, ein großes Handtuch um den Körper gewickelt.
Der Metzger bleibt am Rande der Versammlung stehen, lauscht höchst konzentriert dem aufgeregten Treiben und zuckt plötzlich heftig zusammen, obwohl es nur eine sanfte Berührung an seiner rechten Schulter ist.
»Guten Morgen! Na, hat meine Willibald schlechte Nerven?« Danjela Djurkovic ist an seine Seite getreten und fährt in nüchternem Tonfall fort: »Glaub ich, wirst du brauchen jetzt gute Nerven mit noch bessere Magen!«
»Wie meinst du das, und was gibt es hier für ein Problem?«
»Nachtaktiv und nix wählerisch!«
»Wer?«
»Weiß ich schon, nachtaktiv und nix wählerisch trifft zu auf meiste Gäste in Kuranstalt, trifft aber noch besser zu auf beide Haifische in Ruheraum!«
Und dann erzählt die Djurkovic dem Metzger wohl die absurdeste Geschichte, die ihm in seinem bisherigen Leben zu Ohren gekommen ist. Es wird diesbezüglich allerdings nicht die letzte sein.
Die Tür ins eigentlich geschlossene Schwimmbad ist also offen gestanden. »Wie reizvoll«, hat sich Frau Kirschner wohl gedacht. Für ein Erfrischungsbad im Schwimmbecken war ihr Ekel dann allerdings doch etwas zu groß. Gegen eine Sprudelrunde im Whirlpool und ein zufriedenes Versinken in der Entspannungsliege war aber nichts einzuwenden.
Zuerst hat sie es für einen Beleuchtungseffekt gehalten, dieses aus dem Aquarium schimmernde heimelige rote Licht. Wie ihr dann aber plötzlich hinter der dicken Glasscheibe eine Hand mit zwei ganzen und drei halben Fingern zugewunken hat, war es sowohl mit der Entspannung als auch mit dem Liegen vorbei. In Anbetracht des mittlerweile vollständig sichtbaren ohr-, nasen-,
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