Der Metzger geht fremd
fragt: »Wie geht es jetzt weiter, jetzt, wo er tot ist?«
Wer weiß das schon? Ihn quält eine ähnliche und doch ganz andere Frage. Schweigend dreht er sich zu ihr: »Wie geht es jetzt weiter, jetzt, wo du hier bist?«
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W ÄRE ER UNTERHALB des Bettvorlegers abgegeben worden, hätte dieser gewaltige Huster der auf dem Boden kauernden Danjela Djurkovic den kleinen Wollteppich wohl ein Stückchen angehoben. Für das Davonschweben war es allerdings ohnedies zu spät, denn dem Überraschungsbesucher haben offenbar ein paar Sekunden gereicht, um alles zu sehen. Der Djurkovic haben sie auch gereicht, die paar Sekunden Angst, die ihr wie Stunden vorkamen. Sie konnte nicht anders, als tief durchatmend in ihrer Kauerstellung zu verharren. Ein uneingeweihter Beobachter hätte bei diesem Anblick durchaus auf die Idee kommen können, hier begrüßt zur frühen Stunde eine yogabegeisterte Dame mit der »Stellung des Kindes« den anbrechenden Tag.
Begrüßt hat die Djurkovic dann etwas anderes. Denn während die Putzleistung des Hotelpersonals im Schwimmbad strahlende Qualitäten aufzuweisen hatte, braute sich unter dem Friedmann-Bett ein mächtiges Gewitter zusammen. Kumulusartig tummelten sich die Staubwölkchen, als hätte hier seit der Verschraubung des Betts kein Staubsauger mehr vorbeigeschaut. Dazwischen lagen gebrauchte Taschentücher, Spangen, Haargummis, das Verpackungsmaterial andersartiger Gummis – alles an sich kein begrüßenswerter Anblick. Nur war da eben noch etwas.
Etwas, das mit Begrüßungszeremonien dann wieder äußerst viel zu tun hat: ein Mobiltelefon. Ein veraltetes Modell.
Eines, das man in einem so noblen Haus wie dem Kurhotel Sonnenhof zwar genauso wenig erwartet wie den krankheitserregenden Boden unter dem gesunden Bett, das jedoch dem Altersdurchschnitt der hier anwesenden Personen entsprechend keineswegs überrascht.
Nachdem ein Mobiltelefon ja gegenwärtig das sich am schnellsten wandelnde Statusobjekt der besonders schnelllebigen Generationen ist, muss es nach seinem kurzfristigen Gebrauch schließlich irgendwo hin. Also werden in der Regel die im wahrsten Sinn des Wortes in die Tage gekommenen Geräte innerhalb der Familie altersmäßig aufwärts verteilt, meist in Kombination mit einer Telefonwertkarte unterm Weihnachtsbaum. Zeig mir dein Handy, und ich sag dir dein Alter. Am meisten aber freuen sich die Großmütter und Großväter, ganz zu schweigen von den Uromis und Uropis, wenn die Schnelllebigen ein bisschen Zeit aufbringen, den Beschenkten das Geschenk auch sorgfältig zu erklären. Wobei eines gilt: Je älter das Handy, desto größer die Freude, denn: Je geringer die Funktionen, desto einfacher die Bedienung und desto größer die Tasten.
Hocherfreut hält die Djurkovic das Mobilfunkgerät in ihren von Staub und Lurch beschmutzten Händen. Hocherfreut, denn erstens leuchtet das Display grün mit fetter schwarzer Schrift, was bedeutet, der Akku ist nicht leer, was des Weiteren bedeutet, so lang kann es da noch nicht liegen. Zweitens haftet auf der Rückseite, mit einem durchsichtigen Klebestreifen befestigt, ein Zettelchen mit einer Ziffernfolge, wahrscheinlich die Nummer des beschenkten Besitzers. Und drittens hätte mit diesem Fund und den drei begonnenen Briefen die Ausbeute ihres kleinen Besuchs wahrlich besser nicht ausfallen können.
So euphorisch hat sich die Djurkovic im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Staub gemacht, dass ihr beim Verlassen des Zimmers gar nicht der Gedanke gekommen ist, sich mit einem kurzen Blick zurück ins Zimmer dieselbe Aussicht zu gönnen, wie sie der vorangegangene Überraschungsbesucher genießen konnte.
Sie hätte zwar ohnedies nicht ganz dasselbe zu Gesicht bekommen, denn im Wohnzimmerspiegel wäre nur der kleine Bettvorleger-Wollteppich ohne den gewaltigen Hintern einer seltsam verrenkten darauf knienden Person zu sehen gewesen. Die Balkontür allerdings hätte noch genauso offen gestanden.
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Anton & Ernst – Die Dritte
Ernst: Sieh mal, heute sind's zwei!
Anton: Fein! Jetzt schaut auch noch jemand dabei zu, wie uns der kümmerliche Glatzkopf mit seinen abstehenden Ohren den grindigen Kübelinhalt in unser Wohnzimmer kippt. Einfach entwürdigend, Abfälle fressen müssen vor Publikum!
Ernst: Ich trau mich wetten, dass im Vergleich zu dem, womit sich die da draußen ernähren, unsere Abfälle weitaus bekömmlicher sind!
Anton: Da hast du vielleicht sogar recht. Aber weißt du, was ich glaube? Ich glaube, der Zweite schaut gar
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