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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ich bin doch Mitglied bei einem Pannendienst.«
    »Aber das Reserverad hängt hier an der Heckscheibe, das kann doch nicht so schwer sein.«
    »Aber du hast ein weißes Hemd an. Aber bitte, wenn du dir das jetzt wirklich einbildest mit dem Reifenwechsel! Ich würde nur an deiner Stelle das Hemd ausziehen.«
    Es steht außer Frage, dass Willibald Adrian Metzger immer, außer unter dem Pyjama oder unter der Dusche, ein Unterleibchen trägt, und es steht ebenso außer Frage, dass noch nie eine Dame, außer vor sicher schon dreißig Jahren die damalig spindeldürre Schulärztin Frau Dr. Horner, bei der ersten Verabredung den Metzger in einem dieser Unterleibchen zu sehen bekommen hätte.
    »Das geht schon!«, meint er noch, der unwissende Willibald, aber bereits nach dem Lockern der verdreckten Schrauben, dem ersten Hantieren mit dem noch nie verwendeten öligen Wagenheber und der damit verbundenen Schweißentwicklung wird ihm klar: »Ich bin am Weg zum vielleicht wichtigsten Kunden, den ich je hatte, hab zwar zwei Unterleibchen dabei, aber nur ein Hemd, und das trage ich gerade am Leib, na wunderbar!«
    Was bleibt ihm also anderes übrig, als vernunftgesteuert seiner Halbschwester denselben Augenschmaus zu gönnen wie einst der Schulärztin Frau Dr. Horner. Und so wird Sophie Widhalm Zeugin des farbenfrohen Gemäldes eines hysterisch gestutzten grünen Rasenteppichs, eines darin geparkten silbrig glänzenden Geländewagens, einer als Unterlage für den Mechaniker darauf ausgebreiteten rot-blau karierten Decke und eines davorstehenden blassen Restaurators im mattweißen, ärmellosen Rippleibchen. Einem Rippleibchen, unter dem sich neben der übermäßig vorhandenen Körperfülle auch deutlich der handwerkliche Beruf abzeichnet.
    Und während sich langsam unter heftigen Keuchgeräuschen die Räder immer mehr vom Rasen heben, entgeht dem kurbelnden Metzger als Trost für diese Sonderübung der durchaus liebevolle, ja sogar ein wenig aufreizende Blick, der ihm da im Hintergrund aus heiterem Himmel zugeworfen wird. Was der andere heitere Himmel zu bieten hat, entgeht ihm allerdings nicht. Kein Wölkchen steht am Firmament, dennoch schlägt es mit einem dumpfen Klopfgeräusch am Dach des Autos ein, klarerweise samt deutlich hinterlassener Delle.
    »Das ist ja lebensgefährlich!«, erklärt der Restaurator geduckt, ganz in Gedanken an ein mögliches überraschendesEnde. Als wäre es dem Universum ein Bedürfnis, diesem jenseitigen Ruf gleich ein weiteres Zeichen hinterherzuschicken, folgt dem Auftritt des Hagelkorns nach einiger Zeit der Auftritt einer geradezu göttlichen Erscheinung – da hat Sophie Widhalm bereits zur Sicherheit auf der Ladekante der geöffneten Heckklappe Platz genommen.
    Strahlend weiß schwebt sie über den Rasen, mit einem leisen Surren. Der Schöpfer ist wahrlich von launiger Natur, das zeigt sich nicht nur am Ameisenbären, am Schnabeltier und am Schweinehund. Lange dauert es nämlich nicht, dann hat es sich ausgeschwebt, und ein stattlicher, groß gewachsener junger Mann mit halblangem, dunklem und lockigem Haar, sonnengegerbter Haut und Dreitagebart steigt wie die irdische Manifestation des Himmelsvaters in weißem Poloshirt, weißem Strickpullunder mit Zopfmuster, beiger Hose mit weißen Streifen, weißen Schuhen mit beigen Streifen und beigen Lederfingerlingen mit Lederflechtung aus seinem durchwegs in Weiß gehaltenen Elektrofahrzeug. Da kann er zumindest farblich beinah mithalten in seiner beigen Cordhose und seinem mattweißen Rippleiberl, der Willibald. So launig sich die Natur Gottes zeigt, so launisch dürfte es um Gottes Willen bestellt sein, natürlich vorausgesetzt, der Schöpfer bedient sich tatsächlich dieses geschniegelten Schaubildes seiner selbst.
    Dass das zumindest der Herr in Weiß zu glauben scheint, daran besteht kein Zweifel: »Um Gottes willen!«, ist sein gar nicht überraschender Gruß. »Sie können doch hier nicht den Wagen in den Rasen stellen und picknicken, das ist ein Golfplatz!«
    Das ist also ein Golfplatz, lernt der Metzger nun dazu, und weil sich seine Gesamtsituation im Augenblick nicht unbedingt entspannend aufs Gemüt auswirkt, zeigt er seine Lernfähigkeit gleich in aller Öffentlichkeit: »Dann ist dieses Hagelkorn, das da gerade zum Glück nicht auf uns, sondern samt bleibendem Eindruck am Autodach gelandet ist, wohl ein Golf ball? Am Golfplatz kann man also in mehrfacher Hinsicht wen treffen?«
    Auf Basis ihrer umfassenden Vollkaskoversicherung entfleucht

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