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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Sophie Widhalm in ihrem Kofferraum, der vom Überraschungsgast nicht eingesehen werden kann, ein dezenter Lacher.
    Der Gigolo in Weiß allerdings denkt gar nicht daran, seinem Gesicht Entspannung zu gönnen. Äußerst gereizt antwortet er: »Ja, so etwas nennt man Golf ball, und wenn der wirklich auf Ihrem Dach gelandet ist, bedeutet das, ich werde jetzt von dort oben abschlagen müssen! Oder ist er Ihnen vielleicht doch in die Pfirsichbowle oder ins Lachstatar gefallen! Obwohl, rein optisch sind Sie ja eher der Knacker- und Dosenbier-Picknicktyp.«
    Sophie Widhalm lacht nun nicht mehr. Wutentbrannt springt sie hinter dem Wagen hervor, scannt blitzschnell ihr Gegenüber, kann sich nicht ganz gegen den Gedanken wehren, dass es weitaus hässlichere Mannsbilder gibt auf dieser Welt, und geht trotzdem zum Angriff über: »Picknick! Sagen Sie, kann es sein, dass Sie Ihren Dauerwellen eine kleine Seh- beziehungsweise Wahrnehmungsschwäche zu verdanken haben? Dass Golfer in mehrfacher Hinsicht einen gewaltigen Schlag haben, überrascht mich ja nicht wirklich!«
    Jetzt lächelt der Metzger.
    »Was erlauben Sie sich, das …«
    Es steht außer Frage, dass Sophie Widhalm ihren Duellpartner nicht zum Stich kommen lässt, zumindest vorerst: »Ich erlaube mir, Ihre Entschuldigung und Hilfe anzunehmen, ansonsten sehe ich wirklich keine Veranlassung, mich weiter Ihrer Gesellschaft auszusetzen!«
    Als wäre »Gesellschaft« das Stichwort, landen zwei weitere Bälle, diesmal im Rasen, kurz danach tauchen die beiden dazugehörigen ähnlich adjustierten Herren auf. Eiligen Schrittes schieben sie eigenartige Wägen herum, einer hinter, der andere vor sich her. Förmlich vor sich sieht auch der Metzger die Kleinkinder am Spielplatz gegenüber seiner Werkstatt, wenn sie hurtig mit ihren Puppenwägen durch die Wiese marschieren.
    Als könnte sie Gedanken lesen, erklärt Sophie Widhalm: »Schau dir das an! Ist doch fein, wenn sich die Männer den Irrglauben viel Geld kosten lassen, in elitären Kreisen ihren Geschäften nachgehen zu können, und in Wahrheit leitet sie unbewusst ein darwinscher Entwicklungsprozess zur Übungsstunde im Wagerlschieben, damit das dann später für uns Frauen sorgenfrei klappt, wenn die Herren der Schöpfung endlich die Kinderwägen übernehmen. Eines Tages stehen sie an der Supermarktkassa in der Schlange, und wir fahren mit dem, was sie bis jetzt unter Wagen verstanden haben, zum Jahresservice, das sag ich dir – die Natur ist gerecht!«
    »Einen feuchten Dreck schert sich die Natur um Gerechtigkeit, das werden Sie schon noch merken. Sie sollten sich also nicht aufspielen, junge Dame!«, mischt sich der Herr im Elektrofahrzeug nun ein: »Wissen Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben?«
    »Ja, das weiß ich, Sie haben sich ja eindrucksvoll vorgestellt: Einen rücksichtslosen Ignoranten und unsympathischenEgomanen hab ich vor mir, und mehr interessiert mich gar nicht!«
    »Mich interessiert jetzt jedenfalls Ihr Kennzeichen!«, wird abschließend in Richtung Sophie Widhalm zurückgeschossen. Bei diesem Schuss bleibt es allerdings nicht, denn wenig später erhöht sich die Anzahl der Bälle und somit auch der Zuschauer auf vier. Seltsam ist, dass die hinzugekommenen Männer kein Wort verlieren, weder vor- noch miteinander, was den nun wieder mit dem Reifenwechseln voll beschäftigten Metzger zu dem Irrglauben veranlasst, man kenne sich nicht. Denn natürlich kennt man sich, einen unter ihnen kennt in gehobenen Kreisen nun wirklich jeder, und natürlich schiebt dieser eine als Einziger kein Wagerl, und natürlich ist es dem hierarchischen Ordnungsprinzip zu eigen, dass der Mensch, je höher die Macht einer anwesenden Person ist, umso eher entweder schweigsam in eine ehrerbietig falsche Scham oder lautstark in eine schamlos falsche Ehrerbietung verfällt. Hier hält man also gottergeben die Klappe  – bis auf den Göttlichen selbst: »Sie werden von mir hören, junge Dame! Diese Ehrenbeleidigung hat ein Nachspiel!«
    »Sie spielen also gerne! Das ist mir schon klar, dass so jemand wie Sie, der sich jedes Vorspiel erkaufen muss, eher zum Nachspiel tendiert!«, setzt Sophie Widhalm nach, und sie hätte besser geschwiegen. Dann fahren sie weg, die Geschwister, und endlich versteht der Metzger, warum keiner der Herren, anstatt sinnlos herumzustehen, einfach sein Wagerl weitergeschoben hat.
    Im Rückspiegel kommt sie langsam zum Vorschein, die kleine umgeknickte Fahnenstange.

17
    D AS P ALAIS M ÜHLBACH entpuppt

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