Der Metzger holt den Teufel
davon ist er felsenfest überzeugt, führt die Welt ins Verderben, sie sichert genau jenem Typus das Überleben, der sich auf die Brust klopfend gegenüber den Schwächeren behauptet, seine Mitmenschen unterdrückt und eines Tages alles ausrottet.
»Geh hinaus in den Wald!«, wurde ihm von seiner Mutter aufgetragen, auf dass sie sich in Ruhe vergnügenkonnte. »Geh hinaus, spielen mit den Jungs, hat ja auch deine Schwester gemacht.« Und dieses Spielen hat er bis heute nicht vergessen.
Bei dreien ist eben immer einer allein.
16
»V ERDAMMT, VERDAMMT , verdammt!« Mittlerweile hat er alle Jacketts und alle möglichen Kombinationen durchprobiert, aber nichts erweckt den Eindruck der für diesen Anlass notwendigen Eleganz, auch nicht auf andere: »Metzger, kauf dir einen Anzug, so was braucht man immer, spätestens beim eigenen Begräbnis!«
»Wenn ich dann also genauso sinnlos herumlieg wie du jetzt? Sag, hast du nichts zu tun? Wo zum Beispiel ist Philipp Konrad?« Darauf hin wird dem Metzger erklärt, es seien im deutschen Sprachraum um die hunderttausend Menschen, die jährlich verschwinden, einige tauchen Tage später wieder auf, als wäre nichts gewesen, viele brechen bewusst alle Kontakte ab und beginnen irgendwo ein neues Leben, und manch einer kommt nie wieder lebend zurück. Ernsthaft könne man sich nur um die wirklichen Problemfälle kümmern, und das seien vorrangig Kinder.
»Und was bitte ist dieser Philipp anderes als ein Kind?«, bekommt Eduard Pospischill darauf hin ziemlich erbost zu hören.
»Das stimmt schon, aber mittlerweile haben wir Frau Konrad persönlich gesprochen, und eines sag ich dir:Selbst der bissigste Hund kann einem leidtun. Die Dame ist ziemlich am Boden zerstört. Jedenfalls weiß ich seither, dass Philipp vor seinem Verschwinden den halben Kleiderschrank ausgeräumt, die tragbare Playstation und was weiß ich alles eingepackt hat. Allesamt Gegenstände, ohne die ein Vierzehnjähriger heutzutage nicht leben kann. Der hat sich einfach aus dem Staub gemacht, was bei den grauenhaften Familienverhältnissen durchaus zu verstehen ist.«
»Und wem hab ich die Rückkehr meines Sakkos zu verdanken? Denn abhauen und vorher noch schnell gestohlenes Geld zurückbringen, das klingt ja wirklich einleuchtend!«
»Metzger, ich bitte dich, lass mich zufrieden mit dieser Geschichte. Der Bursche wird gesucht, mehr können wir nicht machen! Außerdem hab ich wirklich andere Sorgen. Die Ermittlungen stocken, die Verhöre sind extrem mühsam, diese Harfenistin Käthe Henrikshausen samt Dackel Fridolin taucht nicht auf, und, und, und. Du glaubst gar nicht, wie mir der Hut brennt!«
»Na, dann bring ihn vor die Tür, bevor sich meine Wohnung entzündet!«
»Keine Sorge, ich geh schon! Nur wenn du Pech hast, sehen wir uns am Abend!«
»Wie bitte?« Der Metzger ist entsetzt. Das braucht er wie den Holzwurm: einen Zwangsausflug mit Sophie Widhalm, begleitet von Eduard Pospischill. »Was heißt, wir sehen uns? Du bist eingeladen, und dann sagst du mir nichts?«
»Erstens sag ich ja gerade was, und zweitens bin gar nicht ich eingeladen, sondern die Cellistin. Freu dich, kommst du wieder in den Genuss eines Gratiskonzerts,denn die Dame soll dort aufgeigen, so wie eventuell auch die Polizei. Wie wir nämlich herausgefunden haben, waren Annabelle Wertheim-Müllner und die ermordete Galina Schukowa dermaßen lieb miteinander, dagegen sind Tom und Jerry Ministranten. Das klingt aber jetzt sogar für dich einleuchtend, oder: zwei Weibsbilder, die sich inmitten einer Horde Frackträger in die Haare kriegen? Der Dame werden wir heute ein wenig auf den Zahn fühlen, und wer weiß, vielleicht findet unser dentaler Eingriff auch am Abend statt!«
Ein schelmisches Grinsen ist dem Kommissar anzusehen, und ohne eine Erwiderung abzuwarten, sucht er mit einem rettenden Ratschlag das Weite: »Was ist mit deinem zurückgekehrten Sakko, warum ziehst du nicht das an?«
Keine blöde Idee! Und so findet die vor Jahren im Ausverkauf erstandene und nie getragene beige Schnürlsamthose doch noch einen Partner, was in Kombination mit dem weißen Hemd und den Schweinslederschuhen ein durchaus ansehnliches Bild ergibt.
Der Metzger packt eine kleine Reisetasche, was braucht ein Mann schon für eine Nacht, nimmt einen nervösen Schluck vom bereits erkalteten Pospischill-Kaffee und widmet sich schließlich abermals der Kontaktaufnahme mit Danjelas Mailbox, diesmal mit der Nachricht: »Ich muss aus beruf lichen Gründen für
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