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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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zweitens wäre es Dollys Todesurteil gewesen, sich auf ihre Mutter zu verlassen. Typ 1 nach Dollys Papa ließ nämlich nicht lange auf sich warten, und von da an war Dolly auch verlassen, ihre Mutter zwar zumeist zu Hause, aber so gut wie nie für sie da. Auf Typ 1 folgte Typ 2, dann Dollys erster wirklich bedrohlicher Unterzuckerungsanfall, zu früh gespritzt, zu spät gegessen, alles nur dank der ersten großen Liebe Dorian, und alles nur überlebt dank ihrer damals schon besten Freundin Irmgard. Dann kam Typ 3, sogar mit Sack und Pack in die Wohnung, ein Jahr lebte Mutter mit ihm und neben Dolly, dann gab es eine längere Pause, und Dolly wurde sowohl ungefragt als auch unerwünscht eine Übermutterung zuteil, wie dem Mittelmeer die Algenplage, dann kam Typ 4, und dann hörte Dolly zu zählen auf, auch auf ihre Mutter. Gibt es also in Eva-Carola Würtmanns Leben keinen Mann, gibt es nur die Tochter, gibt es einen Mann, gibt es die Tochter nicht. Eltern können Egoisten sein, dagegen sind weibliche Gottesanbeterinnen ein Wahrzeichen funktionierender Dauerbeziehungen.
    Und genau in diesen Phasen der mütterlichen Existenzverleugnung zeigte das Leben Dolores Poppe, was es mit dem Apfel und dem Stamm so auf sich hat, was jeder Apfelbaum und offenbar auch jeder Frauenarzt weiß: Ein paar Früchte bleiben oben, ein paar fallen herunter, so ist das eben.
    Bei Dolores sind es bis dato zwei Äpfel, allesamt auf die Erde geklatscht, Nummer 1 in der elften Woche, mit bereits sichtbarem Herzschlag, Nummer 2 mit im Ultraschall bereits zum Mund geführten Daumen.
    Dass Nummer 2, nachdem auch der dazugehörige Mann, sprich das Animateurschwein Jürgen Schmidts, Reißaus genommen hatte, entfernt werden muss, wurde Dolores von einem Gynäkologen erzählt, während dieser das medizinische Gespräch mehrmals unterbrach, um mittels telefonischen Gesprächs seinem Kumpel die möglichen Termine für den gemeinsamen bevorstehenden Segeltörn mitzuteilen.
    In allen zwei Fällen war die liebe Mama hormonell bedingt gerade out of office, was sie leider nicht davon abhielt, ihrer Tochter den Trost »Beim nächsten Mal wird’s schon klappen!« auszusprechen. Das ist die Standardantwort eines auf Erfolg programmierten Lebens, von heruntergeplumpsten Früchten will die Plantage nichts wissen, zum Verlust eines werdenden Lebens haben Menschen, deren Leben nach Programm läuft, weder etwas zu sagen noch zu fühlen. Dolores hat deshalb ihren Freundeskreis auf eine Person reduziert: Irmgard.
    Allein ihr ist es zu verdanken, dass die Fotos eines im Mercedes SLK mit einer jungen Patientin vor seiner Praxis herumschmusenden, demnächst mit seinem Kumpel um die Welt segelnden Arztes für Frauenheilkunde zum Heil der Frauen farbig ausgedruckt und einkuvertiert an den gemeinsamen, mit Gattin und zwei Kindern belegten Gynäkologenhaushalt zugestellt wurden.
    Alle anderen sogenannten Freundinnen können Dolly seither gestohlen bleiben. Nur Mutter ist eben Mutter, was soll sie machen, außerdem ist da ja noch das ganze Malheur mit der Liebe, also der eines Einzelkindes zu seiner Alleinerzieherin, denn was das umgekehrt sein soll, weiß sie leider bis heute nicht.
    Was Dolores aber mittlerweile weiß, ist:
    1: Mein Leben gehört mir.
    2: Es darf mir gutgehen.
    3: Ich darf alles daransetzen, dass es mir auch gutgeht.

    Und gut tut ihr dieser seit vorgestern in ihr Leben getretene Typ namens Rudi Szepanzky allemal, verdammt gut sogar. Hübsch ist er nicht, aber seine Augen, »… die sind, die sind, die sind so tief wie der Ozean!«.
    »Mittelmeer, Dolly, du bist am Mittelmeer. Und bitte pass auf«, wurde ihr von Irmgard per Telefon der gute Rat erteilt.
    Und dieser gute Rat ist teuer, verdammt teuer sogar, weiß Dolores dank der unverschämt hohen Roaming-Gebühren. Alles andere will sie nicht hören, denn Glück ist Haltungssache, Glück fällt nicht vom Himmel, Glück liegt auf der Straße, man muss es nur aufheben, ein Auge und ein Ohr dafür haben.
    Und zuhören kann er, dieser Rudi, einzig in puncto Verstehen hat sie so ihre Schwierigkeiten. Nur, spielt das eine Rolle? Wenn so ein Mannsbild zuhören kann, ist das schon die halbe Miete.
    »Mach dir keene Sorgen, Dolly«, hat er nach Schilderung ihrer Lebensgeschichte gemeint, »ooch det größte Problem hat immer ne Lösung, und det kleenste sowieso.«
    Sie muss endlich Mutter anrufen und ihr von Tino erzählen.

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