Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
die Stirn gezogen, nähert sich Willibald Adrian Metzger so unbeteiligt und gemütlich wie möglich der Strandbar, sucht sich ein akustisch passendes Schattenplätzchen, bestellt ein kühles Bier, lässt den Blick übers Meer streifen und spitzt die Ohren.
Vergeblich. Am Nebentisch wird geschwiegen, und es erweckt den Anschein, da hätten sich zwei entweder nichts zu sagen oder bereits alles gesagt. Wie es aussieht, trifft Letzteres zu.
Denn kaum hat der Metzger Platz genommen, leert Herr Eichner sein Glas in einem Zug, steht auf und klopft seinem Kumpel auf die Schulter: »Und danke!«
Ratlos ist der Blick des Angesprochenen: »Danke! Wofür?«
»Für die gönnerhafte Einladung.«
»Welche jönnerhafte Einladung?«
»Aufs Bier, Szepansky!«
»Jeizkragen!«
»Bis später!«
»Um drei in der Lobby.«
»Was bitte willst du um drei in der Lobby?«, nun ist sie also übergesprungen, die Ratlosigkeit.
»Uff deene Sahlbruckner ’n Auje werfen, Eichner. Die Alte will ick mir nämlich ankieken, die et in deener Jejenwart aushält.«
Und nun ist es sichtlich vorbei mit der Ruhe:
»Erstens, Szepansky, geht dich das einen feuchten Dreck an, und zweitens ist das für dich Neandertaler nicht die Sahlbruckner, sondern immer noch die Frau Sahlbruckner.«
»Na, dann eben die Anjela«, erwidert Herr Szepansky.
»Geh, geh, geh, du Schwammerl, die Oide heißt Angela! – Ich geh.«
Die Kühlbox samt Träger verschwindet, ein Herzensbrecher aber bleibt: »Dolly, ick würd jern zahln!«, lautet der Ruf, »Gern, Rudi!«, die Erwiderung, »Und det mit dem Köter von deener Mutter tut mir jewaltig leid!«, die Verabschiedung, und sie ist ebenso zärtlich wie der damit einhergehende Speichelaustausch zweier sichtlich einander zugetaner Herzen. So zärtlich, als wäre es der erste Kuss.
Beim Metzger hingegen wird es nun ziemlich trocken in der Mundhöhle, denn milde gesagt komisch ist das jetzt schon, wie die Fäden zumindest laut seiner Theorie zusammenlaufen:
Zwei ominöse Herren, die, wie er nun mittlerweile weiß, mit vollständigen Namen Rudi Szepansky und Gustav Eichner heißen, interessieren sich brennend für die so erfolgreich den Medien ferngehaltene Privatsphäre und die so erfolgreich den Museumsbesuchern dargebotene Privatsammlung des Dr. Konrad Maier, insbesondere ein expressionistischer Gaul hat es den beiden angetan.
Sie sind unterschiedlicher Nationalität, sind weiters unterschiedlich wie Tag und Nacht, sympathisieren wie Katz und Hund, transportierten Letzteren wahrscheinlich tot in ihrer Kühlbox, sind vielleicht sogar verantwortlich für dessen Beisetzung, vielleicht sogar für den Verlust seines Lebens.
Zumindest eine Auge verloren hat auch Rudi Szepansky, und zwar an die Bardame Dolly.
Diese Bardame Dolly ist die Tochter der trauernden Hundemutter Eva-Carola Würtmann.
Und Eva-Carola Würtmann ist in ihrem Verlustschmerz gestern nichts Besseres eingefallen, als sich mit Danjela Djurkovic genau von jenen beiden Herren, die womöglich Sand über ihren Hund gestreut haben, zwecks Zerstreuung mit einem Vierrad durch die Gegend kutschieren zu lassen.
Passt, um drei Uhr in der Lobby, wiederholt der Metzger im Geiste, mit nun durchaus wachgerütteltem Tatendrang. Hat er also endlich einen Termin außerhalb der Essenszeiten, und derer gibt es hier ja genug – außer natürlich, ein Kulturausflug steht auf dem Programm.
Danjela ist die Lust vergangen. Heiß ist ihr, Hunger hat sie, der Rücken schmerzt, die Fußsohlen brennen. In der Hitze des Tages einem ehrgeizigen, hochbeschleunigten Fremdenführer namens Luigi hinterherzuhetzen zehrt eben gewaltig an den Kräften. Sie kann die Eile ja verstehen, immerhin ist die zu besichtigende Stadt langsam, aber sicher am Versinken. So findet also, ganz dem hohen Tempo entsprechend, der kulinarische Zwischenstopp vor zwei auf die Straße gerichteten Vitrinen statt, sprich Fastfood. Linke Vitrine das an jeder Ecke erhältliche Nationalgericht dieses Landes, also Eis, rechte Vitrine das an jeder Ecke erhältliche Nationalgericht Europas, also Kebab. Und weil Danjela lieber etwas Handfesteres bevorzugt, wählt sie zwecks Wiederkehr der verlorenen Kräfte die fleischliche Variante. Die erhoffte Spritzigkeit schießt ihr trotzdem nicht ein. Wenn das Herz schwächelt, hilft eben auch ein Döner nichts, nützt es nur, innerlich zur Ruhe zu kommen. Diesbezüglich ist Danjela einfach an der falschen Adresse, denn eines weiß sie mit Sicherheit: Eine derartige Stadt,
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