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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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halbwegs erholt in ein Auffanglager gesteckt, dessen Zustand all die Lager, die er im Lauf seiner Reise schon gesehen hatte, noch bei weitem untertraf. Aber es machte ihm nichts, denn sterben konnte er überall, und wann es Zeit ist für ihn zu gehen, liegt nur in Gottes Hand. Er nahm den Schmutz, den Gestank, den Hunger ohne Murren in Kauf, er hielt sich aus den Grabenkämpfen innerhalb der Flüchtlinge heraus, feierte mit Blick aufs Meer seinen fünfzehnten Geburtstag, ließ sich, ohne sich zu wehren, von den Wachen schikanieren, zeigte sich stets freundlich, demütig, denn nicht die Auflehnung wird ihn ans Ziel bringen, das wusste er.
    Und so war es auch. Er kennt die Auswahlkriterien nicht, vielleicht war es sein Verhalten, seine Hilfsbereitschaft, vielleicht seine kräftige Statur, vielleicht aber lag es auch schlichtweg an seiner Jugend, dass er nicht so wie viele der anderen zurück nach Afrika geschickt, sondern am Festland abgesetzt wurde. Offiziell und illegal zugleich, denn Billigarbeitskräfte werden gebraucht im ganzen Land.
    Dann lernte er Youma kennen, kein schöneres Mädchen war ihm bisher begegnet. Mit einem Schlag wusste er, was Liebe ist, und sah ihm ins Auge: dem bisher größten für ihn erlebten Schmerz.

    So viele Menschen hier waren schon gut zu ihm. Mittlerweile durfte er eines wieder lernen: Vertrauen. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Er hat Verantwortung für ein Menschenleben, hat sich nicht mehr allein um seine eigene Zukunft zu kümmern. Nichts Wehrloseres gibt es, als neues Leben. Seine Zeit hier also muss ein Ende haben, auch um Youmas willen. Er ist es ihr schuldig, koste es, was es wolle, sogar den Preis seines Lebens.

Die Menopause und das Kriegsbeil
    Der neue, durch die Verdunkelungswirkung der Rollläden nicht wahrnehmbare Morgen bringt zwei schon deutlich weniger blasse Wangen und zumindest ein wenig Lust auf Zwieback.
    Der Blick auf die Uhr allerdings zeigt, dass von Morgen keine Rede mehr sein kann. Die Zeiger stehen auf elf Uhr. Der Metzger und seine Danjela hingegen liegen noch, und keinen der beiden überkommt diesbezüglich das anerzogene schlechte Gewissen. Ob Morgenstund Gold im Mund hat, ist schließlich nicht nur Auffassungssache, sondern hängt auch essenziell davon ab, wie spät aus welchem privaten oder beruflichen Grund ins Bett gegangen wurde. Dass Morgenstund aber flächendeckend aus dem Munde riecht, ist ein Faktum. Ergo erspart sich der Metzger vor dem Putzen seiner Zähne so wie gewöhnlich auch jetzt einen großen Wortwechsel und marschiert im Anschluss zum Mittagsbuffet, um zumindest ansatzweise so etwas wie ein Frühstück zusammenzuklauben. Danjela bekommt ein asiatisches, also Reis, der Metzger ein deftiges, also Risotto. Gespeist wird auf Zimmer 102:
    »So, und jetzt will ich wissen, was da vorgestern Bedeutsames gestohlen wurde, um ohne Rücksicht auf Verluste mit einer mobilen Brechstange durch die Fußgängerzone zu preschen?«
    Da werden sie gleich ein wenig rosig, die kauenden Djurkovic-Bäckchen, allerdings nicht aus Scham.
    »Kann ich kaum glauben: Hast du tatsächlich zusammengebracht freiwillige Bewegungseinheit?«
    »Freiwillig?«, zieht der Metzger seine Augenbrauen hoch und zaubert seiner Danjela einen schelmischen Grinser ins Gesicht.
    »Warst du also nix bummeln wegen neue Strohhut, passt dir übrigens gut, sondern auf Suche nach gekränkte Frauenherz? Hör ich da ein bisserl Sorge oder gar schlechtes Gewissen?«
    »Danjela, glaub mir, es tut mir wirklich leid, mich hat das einfach alles total überfordert, und ich weiß, mein Benehmen war nicht in Ordnung, und …«
    »Nicht in Ordnung?«, fällt sie ihm ins Wort. »Sag ich dir, ist Klimakterium und Menopause Dreck dagegen, außerd…«
    Auch der Metzger kann unterbrechen: »Mag schon sein, nur ist da ein Unterschied: Ihr Frauen wisst wenigstens, da kommt eines Tages eine Klimaveränderung daher. Und ja, ich freu mich über deine herzensgute Absicht, nur das nächste Mal bitte mit Absprache, und ja, so schlimm ist es hier wirklich nicht, und ja, ich hab mir gestern Sorgen gemacht. Also, was war da los?«
    Und dann erzählt Danjela von dem plötzlichen Auftauchen dieses dunkelhäutigen Jungen, der ihnen ins Vierrad gelaufen wäre, zum Glück nicht frontal, sondern von links kommend direkt in Eichner hinein, der sich ohne Verärgerung auf Seiten der Gerammten entschuldigen und so lange gemütlich wegspazieren durfte, bis Eichner bemerkt hatte, plötzlich ohne Druckstellen auf beiden

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