Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Arschbacken sitzen zu können, und mit den Worten »Der Saukerl hat mir die Geldbörse geklaut!« den Befehl zum kollektiven In-die-Pedale-Treten erteilte.
Kurz habe man ihn verloren, dann aber wieder laufen gesehen, hinein in die Fußgängerzone. Schließlich sei er ihnen zwischen den Häuserblöcken entwischt und man einhellig der Meinung gewesen, es müsse nun dringend etwas für die Nerven getan werden, also Eissalon und Alkohol.
Und weil das Zimmer 102 immer noch bis zum Anschlag verdunkelt ist, und weil das Zuhören und vor allem das Erzählen aus einem virusgebeutelten weiblichen Körper heraus gewaltig müde macht, erfolgt nun das sofortige Abhalten des Mittagschläfchens – und wieder ist das Bett ein doppelt belegtes. Ist ja auch ein altbekanntes Lied oder Leid: Wird eine Frau, wodurch auch immer, in Mitleidenschaft gezogen, leidet eben auch das dazugehörige Mannsbild gleich mit, sozusagen prophylaktisch. Ob Schwangerschaften oder Regelblutungen, völlig egal, die männliche Fähigkeit des Am-eigenen-Leibe-Verspürens ist schier grenzenlos. Außer natürlich, es werden ihr Grenzen gesetzt. Gegen 14 Uhr nämlich ist in den Wänden des finstren Zimmers 102 und dieser so erhol- und geruhsamen Unaufgeregtheit Schluss mit lustig:
»Wenn glaubst du, gibt jetzt nur wegen mir Ausrede für freiwillige Inhaftierung, hast du dich gewaltig geschnitten in Finger. Muss gefälligst jeder leiden auf seine Weise, also, war Geldeintreiben für Urlaub mühsam genug, verschwindest du endlich auf Strand, dalli, dalli! Und will ich Beweisfotos, suchst du dir schöne Motive«, wird nun eine unmissverständliche Verabschiedung ausgesprochen, der Metzger noch extra mit der für den Urlaub besorgten Digitalkamera ausgestattet und endgültig Richtung Strand verabschiedet.
Und Motive, sprich zu sehen, gibt es genug. Lang muss Willibald Adrian Metzger nämlich nicht warten, um diesmal, versteckt hinter einem Rätselheft, die Zielobjekte seiner Neugierde zu erspähen. Mit einem etwas jüngeren Exemplar ihres Geschlechts marschieren sie den Strand herunter: Linker Hand von Gustav Eichner, rechter Hand von Rudi Szepansky flankiert, setzt ein junger Bursche, rein optisch der Teenieschwarm schlechthin, seine Füße in den Sand. Er auf einer Bühne, und Zigtausende kreischende Mädels wären schwer kreislaufgefährdet, natürlich ausgenommen die kleine Michaela und die kleine Jole, die beiden haben ihren Liebsten nämlich schon gefunden. Einfach fantastisch sieht sie aus, die gemeinsam mit dem nun nicht mehr einsamen Rolf errichtete Strandburg. Und die Mauern dieser Burg schreitet der Traum vieler Frauen nun ab, denn unübersehbar heben sich die Blicke einiger weiblicher Urlaubsgäste: Dunkelbraune Haut, dunkle Locken, große, fast schwarze Augen, ein muskulöser, schlanker Körper, auf etwa 17, 18 Jahre schätzt ihn der Metzger. Mit einem Ball in der einen, einer großen Tüte Eis in der anderen Hand steuert er zusammen mit den beiden anderen den zum Hotel gehörenden Liegestuhlblock an.
Und jetzt wird es für den Metzger in Anbetracht der gestrigen Begebenheiten denkbar skurril. Denn in Reihe drei erheben sich ebenso viele Damen, und wieder kennt er zwei davon. Eva-Carola Würtmann und die Bardame Dolly. Mittendrin die dritte, wahrscheinlich Angela: eine junge hellhäutige Frau mit dunklem langem Haar und einem dunkelhäutigen, etwa zehn Monate alten, wohlernährten Baby im Arm. Freudig winkt sie den drei Herren entgegen. Es kommt zur Begrüßung, dann zum Tausch: Die Frau nimmt das Eis, der Junge das Baby, dann nehmen alle Platz.
Ein harmonisches, durchaus schön anzusehendes Bild geben die fünf ab, wie eine große Patchwork-Familie, bestehend aus den beiden mitteleuropäischen Herren, den afrikanisch wirkenden, als Noah und Darya angesprochenen Kindern, und schließlich der etwa 35-jährigen Frau Angela Sahlbruckner. Eine von ihrer ganzen Grundausstattung bildhübsche, von ihrer Grundausstrahlung aber melancholische Angela wohlgemerkt, die Idealbesetzung eines alten Schinkens ganz im Sinne der Film-noir-Tradition, maximal am Namen Sahlbruckner müsste noch gebastelt werden. Zu schön, um wegzusehen, zu traurig, um dranzubleiben, Masochismus pur. Groß und dunkel sind ihre Augen, dicht ihr Haar, lang ihre Beine, nur ein Seidentuch verhüllt die in einem Bikini steckenden Traummaße, und in einem Punkt hakt der ganze Patchwork-Ansatz.
Wenn die beiden Kinder dunkelhäutig sind, sinniert der Metzger vor sich hin, und hier nur
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