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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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nichts, dir nichts. Dieses Ritual will gelernt sein. In Höchstgeschwindigkeit wird eine ausschließlich mit der jeweils rechten Hand ausgeübte Abfolge von Griffen, Fingerschnipsern und Verrenkungen an den Tag gelegt, nicht einmal nach mehrmaliger Zeitlupenpräsentation könnte der Metzger das wiederholen.
    So unklar dieses Bewegungsmuster auch scheinen mag, so klar ist doch: Die beiden kennen sich, wahrscheinlich sogar recht gut. Der eine ist hier offenbar des Urlaubs, der andere von Berufs wegen, legal oder illegal, das sei dahingestellt. Angeregt unterhalten sie sich, Noah wirkt aufgeregt, sein Gegenüber nimmt die Hüte vom Kopf, wischt sich den Schweiß von der Stirn, und Frau Würtmann springt auf.
    »Ist das nicht der Bursche von vorgestern?«, ruft sie aufgeregt. Und ja, auch der Metzger erkennt nun den jungen, zwei Tage zuvor noch verfolgt durch die Fußgängerzone hetzenden Mann an seinem irokesenartigen Kurzhaarschnitt.
    »Hat sich erledigt, ich hab alles zurückbekommen, samt Entschuldigung. Setz dich wieder hin!«, erklärt Gustav Eichner und winkt dem Jungen freundlich zu.
    Ein Weilchen plaudern die beiden Teenager noch, dann kehrt Noah zu seinem Platz zurück. Erschüttert wirkt er, traurig.
    »Demba told, Pepe is dead«, erklärt er, wendet sich der unter dem Nebenschirm sitzenden Dolly zu, und es wirkt, als würden sich die beiden nicht erst jetzt kennengelernt haben: »You know Pepe. Last year, you know?«
    »I know«, entgegnet Dolly, und eine große Niedergeschlagenheit blickt aus ihren Augen. »I am so sorry, Noah, so sorry.«
    »Demba told, they found him in the forest …«, und jetzt steht Entsetzen in Noahs Gesicht, »without eyes. Someone took his eyes!«
    »Im Wald, aber, aber …«, wiederholt Dolly mit sichtlich großer Verwunderung.
    »Keine Augen, das ist ja grauenhaft«, schlägt Frau Würtmann die Hände vor den Mund, dann wird geschwiegen. Nachdenklich blickt Dolly zu Boden, schiebt bedächtig mit ihren Füßen den Sand hin und her. Still ist es geworden, keiner in der Runde spricht ein Wort, und auch dem Metzger steckt nun ein gewaltiger Klumpen im Hals. Sanft flattern die Sonnenschirme, wie eine zärtliche Berührung streicht die leichte Meeresbrise über die betroffenen Gesichter und schickt, als wäre es als Trost gedacht, das kindliche Lachen des kleinen Rolf, der kleinen Michaela und der kleinen Jole durch die Reihen.
    Bis zum Kopf vergraben, blickt der nun nicht mehr einsame Bengel freudestrahlend zu seinen beiden Verehrerinnen und deren Eltern hoch, und gäbe es einen von Minderjährigen einreichbaren Adoptionsantrag, Rolf hätte ihn längst lückenlos ausgefüllt und unterfertigt in seiner Hosentasche stecken.
    So sieht er sie also eng nebeneinanderliegen, der Metzger, dort die Freud, da das Leid.
    Und so gern er sich zwecks Zur-Ruhe-Kommens das eben Gehörte erspart hätte, weiß er nun leider eine Menge:
    Ein gewisser Pepe wurde tot im Wald gefunden ohne Augen. Erfahren hat es Noah von einem nicht nur ihm bekannten Strandverkäufer namens Demba, was bedeutet: Noah kannte auch Pepe. Weiters kennt Noah die Bardame Dolly, Dolly kannte Pepe, offenbar vom letzten Jahr, ja und Gustav Eichner und Rudi Szepansky kennen offenbar sowieso jeden. Was um Himmels willen herrschen hier für Verknüpfungen? Da regt sich beim Metzger schon der Verdacht, Noah könnte hier wohl eher dem mobilen Handel als den Urlaubern zugeordnet werden.
    Wodurch sich die Fragen eröffnen:
    Was haben Gustav Eichner und Rudi Szepansky mit Noah zu tun?
    Kannten die beiden auch den toten Pepe?
    Was haben Rudi Szepansky und Gustav Eichner mit Demba zu tun, warum stiehlt ihnen der Junge die Geldbörse und gibt sie wieder zurück? Warum wirkte der ältere Herr vor zwei Tagen in der Wohnwagensiedlung so distanziert, warum klangen seine Worte »Lasst uns endlich in Frieden« so bedrohlich?
    In welchem Verhältnis steht Noah zu Angela und dem Baby?
    In welchem Verhältnis steht Noah zu Dolly, der die Todesmeldung in dieser Runde offenbar am meisten zu Herzen zu gehen scheint?
    Und warum versetzt sie die Tatsache, dass Pepe tot im Wald gefunden wurde, mehr in Erstaunen als die Meldung über seine herausgerissenen Augen?
    Mit stillen Tränen im Gesicht blickt Dolly auf das Baby in Angelas Armen, auf die drei im Sand spielenden Kinder ein paar Reihen weiter vorne und schließlich auf Noah.
    Rudi Szepansky hat sich zu ihr gesellt, streicht ihr über die Wangen, besorgt ist sein Ton: »Dolly, wat is los, Mensch, is

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