Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
bitten, nennt Irene Moritz die zumindest sprachlich heraushörbare Herkunft der beiden, das Alter, die Tatsache, dass deren Heimreise offenbar in seine Heimatstadt gehe, und schließlich eine weitere Person: »Vielleicht gibt es eine Verbindung der beiden zu Dr. Maier!«
»Wie Maier?«
»Na, der Maier: Dr. Konrad Maier.«
»Das ist jetzt aber nicht dein Ernst?«, und jetzt ist er ihr vergangen, der Spaß.
Zurück im Hotel, gibt es für den Metzger nur noch ein Ziel, das Zimmer 102. Also eilt er mit seinem für Danjela gedachten Einkauf durch die Lobby, vorbei am ersten Ledersessel und dem wieder zurückgekehrten Gustav Eichner, vorbei am zweiten Ledersessel und Rudi Szepansky, vorbei am Ledersofa und dem darauf mit hochgelagertem Bein sitzenden Noah, vorbei an der vor Noah stehenden, offenbar hoteleigenen Hausärztin Dr. Aurelia Cavalli. Ernst begutachtet sie das deutlich geschwollene und mit Eisbeuteln versorgte Knie. Da ist er schon auf Höhe der beiden Fahrstühle, schallt es ihm durch den Eingangsbereich hinterher:
»Wie jeht’s Danjela?«
Rudi Szepansky also zeigt Anteilnahme, der Metzger hingegen Teilnahmslosigkeit. Innerlich zuckt er zwar zusammen, äußerlich aber lässt er die Aufzüge links liegen und schwenkt in Richtung Stiegenaufgang. Den Smalltalk mit diesen beiden ominösen Herren braucht er jetzt wie eine Schlange im Schlafsack. Bespitzeln ja, Bekanntschaft nein, und für das eine Stockwerk ist der Lastentransport verzichtbar.
»Glaub ich, ist dringend nötig Bewegungsprogramm, wenn bist du trotz Lift außer Atem wie Langstreckenläufer!«, lautet dann die Begrüßung auf Zimmer 102. Die Spritzen zeigen also Wirkung, denn erneut war an diesem Morgen die werte Frau Dottore Cavalli zu Besuch. Willibald Adrian Metzger gibt seiner Holden einen Kuss, dann den kleinen Einkauf, ein Panino mit Prosciutto, und fügt mit liebevollem Zynismus hinzu: »Hat Madame Djurkovic sonst noch Wünsche, offenbar geht es ihr schon wieder gut?«
»Nicht gut genug für Urlaub. Also gehst du zu Rezeption fragen wegen Verlängerungswoche, und wenn gibt, dann buch!«
»Buch! Gute Idee«, wechselt der Metzger sein verschwitztes Leibchen, entledigt sich seiner Shorts, schnappt sich die für ihn von Danjela mitgenommene Urlaubslektüre und schmeißt sich neben sie ins Bett.
»Königin meines Herzens, über eine Wiedergutmachungs-Verlängerungswoche können wir gerne reden, wenn bis dahin ein Jahr verstrichen ist! Und jetzt wird entspannt.«
So hat der Tag dann auch nichts Außergewöhnliches mehr zu bieten.
Als wäre es die Ruhe vor dem Sturm, bleiben auch die nächsten zwei Tage ohne besondere Vorkommnisse, obwohl es in gewisser Weise durchaus so etwas wie Sturm gibt, denn das über den Strand wehende Lüftchen hat deutlich zugenommen.
Vorteil: Die Hitze wird erträglicher.
Nachteil: Hüte neigen zum Abflug.
Folglich verbringt er also den ersten der beiden Tage ein Stück entfernt von Gustav, Rudi und Angela, aber ohne Danjela und ohne Kopfbedeckung auf seiner Liege – wodurch er sich erneut als potenzieller Kunde offenbart.
Und unrecht ist ihm das nicht, denn er kann eben nicht anders, der Metzger. Nicht umsonst wird, um das Streben nach Erkenntnis zum Ausdruck zu bringen, der Begriff Wissen mit Worten wie »Begierde«, »Durst«, »Drang« in Verbindung gebracht, und die sind suchttechnisch alle drei kein Bemmerl.
»Billiger, billiger«, kommt mit hoffnungsvoller Miene ein bekanntes Gesicht auf ihn zu. Und diesmal weicht der Metzger dem Blickkontakt nicht aus, sondern winkt dem jungen Mann zu, deutet auf den leeren Platz neben sich.
Ohne zu zögern, wird Platz genommen und freundlich die Frage gestellt: »Wo ist Hut?«
»Auf dem Zimmer. Der Wind«, antwortet der Metzger, und weil er, was den Dickschädel seiner Holden betrifft, im Bilde ist, folglich weiß, dass da in puncto Umfang und Größe zu dem seinen kaum ein Unterschied besteht, deutet er auf das bereits von ihm erstandene und noch ein zweites Mal vorhandene Modell: »Wie viel?«
»25 Euro!«, wird im Vergleich zum ersten Kauf gleich um fünf Euro höher zu bieten begonnen. Das weiche Metzgerherz samt den drei Euro Trinkgeld hat sich der junge Mann also gemerkt.
»Da bekomm ich auf der Einkaufsstraße zwei!«, lacht der Restaurator, überreicht seinem Gast die ungeöffnete Wasserflasche und meint: »Wie heißen Sie?«
»Jamal.«
»Und wo kommen Sie her?«
»Marokko.«
Dann bleibt er ein wenig sitzen und entpuppt sich als durchaus
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