Der Metzger sieht rot
auch der gewünschte Schneider-Sohn ist.
Der Apotheker, dessen gutmütiger Blick verrät, wo Georg Schneider seine dunklen Augen her hat, setzt bekümmert fort:
„Dieses Lokal, ich sag Ihnen! Als wir die Apotheke aus der Alten Mühle hierher übersiedelt haben, wollte er unbedingt daraus ein Szenelokal machen. Seine Szene hat er ja jetzt!
Also, was hat er – abgestellt?“
Volltreffer, geht es dem Willibald zufrieden durch den Kopf, bevor er spontan, wahrscheinlich aus einer gewissen Volltreffereuphorie heraus, auf die höchste mögliche Blindfluggeschwindigkeit beschleunigt und fortsetzt:
„Sagen wir’s mal so. Ein Fläschchen Aconitin-Reinsubstanz, das er wahrscheinlich zufällig bei Ihnen in der Apotheke eingesteckt hat, dürfte er ebenso zufällig in seinem Lokal unbeaufsichtigt abgestellt haben, wo es dann irrtümlich wieder von jemandem eingesteckt über den Schlund in den Magen einer letzten Person geraten ist, deren Herz darauf nicht eingestellt war.“
„Wollen Sie damit behaupten, unser Sohn hätte bei uns ein Fläschchen Aconitin mitgehen lassen? So was würde uns doch auffallen.“
Kurz vom Metzger abgewandt, schreit er nach hinten:
„Theresa, schau mal wegen der Aconitin-Reinsubstanz!“,
und setzt zum Metzger gewandt fort:
„Und wer sind Sie? Von der Polizei?“
„Nicht unbedingt!“
„Was heißt nicht unbedingt? Dann sind Sie Detektiv?“
„Kann man so sagen!“
„Was heißt kann man so sagen?“
„Neugierig bin ich, Herr Schneider, neugierig und betroffen. Weil ich zu denen gehör, die glücklicher wären, wenn dieses eine Herz nicht zu schlagen aufgehört hätte!“, meint der Metzger ausweichend, natürlich nicht bereit, seinen in Ermangelung eines Namensschildes verursachten Anonymitätsvorsprung so schnell aufzugeben.
Dem Schneider ist aber nun der Name ohnedies ziemlich egal. Kreidebleich ist er geworden und fragt:
„Die Person ist gestorben? Das ist ja erschütternd. Jetzt geht es beim Georg auch um Mord?“
„Kommt darauf an! Hat er Zutritt zur Apotheke?“
„Natürlich, er ist ja unser Sohn, unser einziges Kind. Ab und zu hilft er aus, freiwillig, weil wir ihn immer noch unterstützen. Er ist ein guter Junge, glauben Sie mir. Naja, Junge! 41 Jahre war er letzten Monat!
Nicht um die Burg wollte er Pharmazie studieren, das Zeug dazu hätte er leicht gehabt. Jetzt wird die Apotheke ein Fremder übernehmen, kein schönes Gefühl sag ich Ihnen.“
Aufgeregt kommt eine ohnedies schon gebrechlich wirkende Theresa Schneider zurück und fällt ihrem Mann ins Wort:
„Die Flasche ist da, aber ich hab den Inhalt geprüft! Erschreckend, was da fehlt!“
„Wie viel?“, fragt der Metzger, „genug um daran zu sterben?“
„Mehr als genug!“
So schnell bekommt ein Himmelblau einen ungeplant neuen Bezug und wirkt trotz Sterilität befleckt.
Zuhause informiert der Metzger umgehend Kommissar Pospischill. Der schimpft natürlich wieder, freut sich aber insgeheim über diese Entdeckung, die er, wie er meint, sowieso selbst irgendwann gemacht hätte. Bei irgendwann weiß man halt nie wann.
Für den Georg Schneider wird diese Entdeckung das Ende seiner Gastronomiekarriere bedeuten, außer er bekommt einen Job in der Gefängnisküche.
Für den Metzger bedeutet sie ein kurzfristiges Aus seiner Zweifel an der Pospischill-Kreuzberger-Owuso-Theorie und eine unselige Wegbereitung mit verheerenden Konsequenzen.
Für die Danjela bedeutet sie gar nichts, diese Entdeckung. Die wäre gewiss glücklicher, wenn der Metzger mehr Zeit an ihrem Bett, mit ihrem Hund und in der Werkstatt verbrächte.
Nach einer gründlichen Rasur und einer entsprechenden frischen Adjustierung betrachtet der abmarschbereite Willibald sein Gegenüber im Vorzimmerspiegel, versucht, nach Veränderungen und Anzeichen, hervorgerufen durch eine mögliche Aconitin-Vergiftung, Ausschau zu halten. Die Lächerlichkeit dieser Selbstkontrolle in Anbetracht des bevorstehenden Weges erfüllt ihn schlagartig mit einem intensiven Gefühl der Peinlichkeit. Der Metzger schämt sich, was bin ich für ein Psychopath, geht es ihm durch den Kopf, während er seine Wohnung verlässt.
Dann fährt er mit Edgar zum UKH.
Hunde haben da drinnen aber nichts verloren, dafür gibt es entsprechende Haken vor dem Haupteingang, direkt neben den Radständern. Ein Hundeständer sozusagen.
An diesen gebunden wird nun Edgar als mitleiderregend dreinblickendes Häufchen Elend zurückgelassen. Aber selbst wenn es ein Haufen wäre, der
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