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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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wozu also Hektik aufkommen lassen. Dieser Figur muss er nicht hinterherlaufen, denn so gut verstecken kann die sich gar nicht, dass nicht irgendwo das rote Schöpferl, wobei ja von Schopf gar nicht die Rede sein kann, hervorlugt.
    Den kennt jeder, allein aufgrund der Beschreibung, ganz abgesehen davon, dass der nächste Fixtermin seines Erscheinens garantiert im Spielplan der Kicker Saurias abzulesen ist.
    Dank Eduard Pospischill wird er aber gar nicht so lange warten müssen, der Metzger, denn einen Grund hat es schon, warum der Kerl so strampelt.

    Dass der Metzger es nicht eilig hat, stimmt nicht ganz. Viel eher stimmt es, dass er gleich selbst ziemlich ins Strampeln kommt.
    Vor seiner Werkstatt wartet Ingeborg Joachim, genauso wie in der Werkstatt ein vereinsamter Tabernakelschrank samt eingetrockneter Edgar-Markierung inmitten des Gerippes.
    „Wir hatten heute einen Termin!“, verkündet unheilvoll die feine Dame, diesmal im Nerz.
    „Nicht wirklich“, antwortet der Metzger.
    „Aber natürlich! Ich habe Ihnen vor zwei Tagen auf Ihren Anrufbeantworter gesprochen, dass ich heute Vormittag gerne den Stand der Arbeit besichtigen würde!“
    Ja, der Metzger hat einen Anrufbeantworter, in der Werkstatt, nicht zuhause. Von da hat ja auch kaum wer seine Nummer.
    Aber im Geschäft, wenn er mitten in der Arbeit steckt, keine Hand frei hat oder beide Hände schmutzig sind, wenn er keine Lust hat abzuheben, es aber eben trotzdem ums Geschäft gehen könnte, oder wenn er gar nicht in der Werkstatt ist, so wie in den letzten Tagen, braucht er dieses Gerät, welches er auch von zuhause abhören könnte, wenn er nur wüsste wie.
    Und weil er nicht weiß wie, weiß er auch nicht, wie ihm gerade geschieht.
    Furchtbar peinlich ist ihm das, und Ingeborg Joachim gelingt es wieder einmal, nur mit ihrem In-Erscheinung-Treten, ihr Gegenüber in einen Wurm zu verwandeln.
    Die Wurmkönigin.
    Willibald Adrian Metzger bräuchte bezüglich einer passenden Ausrede einen Schub an spontanen, kreativen Ideen. Da diese ebenso hemmungslos ausbleiben wie die Umsetzung der vor den Wahlen ausgesprochenen Wahlversprechen, bleibt ihm nur die Wahrheit:
    „Ich war bis heute krank, Frau Joachim, und deshalb nicht in der Werkstatt!“
    „Und das ist für Sie gleichbedeutend mit: wie vom Erdboden verschluckt sein? Da kann ich mich ja nur wundern, wie das mit Ihrem Geschäft klappen kann, Herr Metzger!“
    „Was wissen Sie!“, flüstert der Metzger patzig in sich hinein. Das käme ihm ja für gewöhnlich nie in den Sinn, gegenüber Kunden die Contenance zu verlieren. Aber erstens waren die letzten Tage von gewöhnlich genauso weit entfernt wie George Bush vom Friedensnobelpreis, und zweitens war dem Metzger in all seinen Restauratorjahren noch nie ein Kunde so dermaßen zuwider wie die Joachim.
    Wahrscheinlich wiederholt er nun deshalb mit gefestigter Stimme und erhobenen Hauptes: „Was wissen Sie!“ Nicht ohne Folgen.
    Ingeborg Joachim, eine Frau, die dank der gigantischen Hinterlassenschaften ihrer beiden verstorbenen Ehemänner demütig die Gnade der zumindest finanziell sorgenfreien Restlebenszeit vor ihren Füßen ausgebreitet sehen könnte, wenn sie nur wollte, wird gegeißelt vom armseligsten aller Leiden: Sie weiß mit ihrer Zeit nichts anzufangen.
    Lebensinhalt: Teleshopping, Friseur, Hundesalon, wöchentliche Mani- und Pedi-, tägliche Willkür und ab und zu ein Rubbellos aus der Trafik. Aus.
    Und das nur aus Routine, langweiliger Routine.
    Eine Wohltat also, wenn sich ein kleiner Zank, ein großes Einschüchtern, ein grandioses Aufplustern ergeben. Zuhause ist sie mit ihrem Pudel nämlich allein.
    Kein Wunder – und doch ist es genau das, warum sie mit ihrer Zeit nichts anzufangen weiß. Alleinsein ist ihr zuwider, ihr Leben ist ihr zuwider, folglich ist sie auch jedem zuwider, der auf sie stößt, und genau das ist wieder ihr zuwider.
    Die Wurmkönigin, die keiner küssen will, zwecks Verwandlung. Und eine Verwandlung hätte sie in petto, da würde jeder Augen machen, sogar der Willibald Adrian.
    So ist es ihr also ein Anliegen, dieses kleine Verdrussangebot des Willibald, „Was wissen Sie!“, dankend anzunehmen, da es sie ja anwidert, augenscheinlich mitzubekommen, wie zuwider sie dem Willibald ist. Ihr ganzes Verhalten lechzt sozusagen nach dieser „Ich bin allen zuwider“-Bestätigung.
    „Was ich weiß, wollen Sie wissen, Herr Metzger?“
    Dann legt sie los:
    Dass sie wisse, ihr Tabernakelschrank würde bald in bemühteren

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