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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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und hätte dann noch den ganzen Tag auf dem Ledersofa sitzen bleiben können, ohne zu sprechen.

28
    Er hat beschlossen, den Satz zur Routine werden zu lassen:
    „Ich wart auf dich, jeden weiteren Tag meines Lebens!“
    Dann macht er sich auf den Weg in die Werkstatt samt einem dermaßen eingeschnappten Hund, da soll noch einmal wer behaupten, Tiere reagieren nur dank ihrer Instinkte.
    Wenn der Hund das vom Frauerl hat, na dann gute Nacht, denkt sich der Metzger und muss seit langem wieder einmal schmunzeln. Wie gut das tut.
    Irgendwie ist er aufgeladen, positiv gestimmt, die Sonne lacht, und auf der Straße tummeln sich die vom Frühling elektrisierten Menschen. Muss ein heftiger Stromstoß gewesen sein, denkt sich der Metzger.
    Sonnenbrillenmodelle aller Art werden vorgeführt, so als könnten die schwachen Strahlen des Lenz’ den Männchen und Weibchen die Augen versengen. Und obwohl sie sich alle herausgeputzt haben, um den einen Blick zu erhaschen, der den innerlich brodelnden Flüssigsprengstoff an Hormonen zum Explodieren bringt, laufen sie dem Diktat der Mode unterworfen aneinander vorbei mit verspiegelten Gläsern. Wie um aller Herrgottswillen soll das mit dem Blick da funktionieren? Obwohl, so manche Person kann in Anbetracht der eigenen Erscheinung wenigstens darauf hoffen, sich hinter diesen verspiegelten Gläsern eine gewisse Restanonymität zu bewahren. Bei all den Körperteilen, die sie so freizügig zur Schau stellt, obwohl genau diesen freigelegten, für den Willibald ansonsten durchaus reizvollen Fleischmassen, durch die Art ihrer Präsentation ein verdeckter Aufenthalt im Untergrund ganz gut täte.
    Dem Willibald ist es ein Rätsel, was wohlgeformte Frauen dazu veranlasst, sich vom Zeitgeist der Ich-Verweigerung dermaßen erniedrigen zu lassen, dass sie viel zu kleine Hosen kaufen. Hosen, die am oberen Ende über die Schamhaargrenze kaum hinausreichen, die den eigentlich wunderbar üppigen Hintern samt seinen hübschen Backen zu einer Scheibe zusammenpressen und die rücksichtslos verdrängten Fleischmassen über den engen Bund quellen lassen, als hätte ein Soufflé die Oberkante der Backofenform überschritten.
    Dagegen waren ja die Leggings seiner Jugend eine Augenweide, gerade weil sie ohne Scheu hauptsächlich von jenen Frauen getragen wurden, die ganz nach Willibalds Geschmack auch wirklich etwas um die Hüften hatten.
    Je freier der Mensch, desto größer die Bereitwilligkeit zur Gefangenschaft.
    Es leben die Leggings, ganz abgesehen davon, dass diese Tracht wenigstens den Eierstöcken und Nieren ihre notwendige Wärme gewährte.
    Und während dem Metzger der Slogan „Modisch bis zur Unfruchtbarkeit“ durchs Hirn schießt, gekoppelt an den Gedanken, die Ursache der erschreckenden Häufigkeit kinderloser Ehepaare könnte doch auch viel trivialerer Natur sein, schießt an ihm scheppernd ein rot-schwarzer Blitz vorbei.

    Schlagartig ist es da auch vorbei mit Edgars gekränkter Hundeseele, jaulend zieht er an der Leine, und sein Schwanz, oder die Idee eines Schwanzes, wedelt in einer Geschwindigkeit, da könnte ein unwissendes Auge meinen, er hätte gar keinen.
    Was beim Hund an Energie einschießt, verschwindet scheinbar beim Metzger, so als fände hier ein heimlicher Austausch statt.
    Paralysiert steht er auf dem Trottoir und starrt diesem skurrilen Bild eines breitschultrigen, mit rot besprühter Stoppelglatze und rot schimmernden Schnürstiefeln ausgestatteten, auf rot-schwarz lackiertem schepperndem Waffenrad heftig strampelnden Schlägertypen hinterher.
    Auf immer und ewig erinnerungswürdigen Schlägertypen, wohlgemerkt. Denn erstens wird der Metzger dieses Bild nie wieder aus seinem Gedächtnis streichen können, und zweitens gibt es wohl die Kombination dieses eigenwilligen Erscheinungsbildes mit einer schwarzen Lederjacke samt Rückenaufdruck „ROT bis in den TOD“ garantiert kein zweites Mal.
    Genauso wie soviel Blödheit, oder Arroganz, mit einem gestohlenen Rad dermaßen ungezwungen durch die Gegend zu strampeln. Obwohl, Blödheit und Arroganz sind ja meistens geschwisterlich vereint, das eine dient zum Schutz des anderen.
    Es sieht allerdings so aus, als hätte es der rot-schwarze Blitz ein wenig eilig, was auf den Willibald nicht zutrifft. Natürlich spürt er seine Wut samt dem Wunsch, ein um die Ecke schießender LKW würde nicht nur dem Rad einen Platten verpassen, dennoch, mehr Glück als diese unbeabsichtigte Begegnung kann man sich eigentlich gar nicht mehr wünschen,

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