Der Metzger sieht rot
Und warum soll ein Hund am Morgen anders aus dem Maul riechen als ein Mensch? Der Anruf war also ein willkommener Grund, endlich den tierischen Atemrhythmus zu unterbrechen.
Zusanne Vymetal ist am Apparat.
So ändert sich die Wahrnehmung. Es reichen schon ein paar verblüffende Gesten oder zuvorkommende Äußerungen, da hatte die Vymetal ja während der letzten Begegnung mit Willibald einige positive Überraschungen auf Lager, und aus einem Schauder wird ein Schauer der Wohligkeit. Das freut den Willibald Adrian nämlich schon, dass die erste Vymetal-Frage dieses Anrufs lautet:
„Wie geht es Ihnen, haben Sie den Besuch in der Alten Mühle vorgestern gut überstanden?“
Kümmern ist eine heikle Angelegenheit. Kümmert sich niemand, ist das bekümmernd, kümmert sich allerdings jemand zu viel, ebenso. Denn zu viel Kümmern bedeutet immer gleichzeitig, der Person, die da Obsorge im Übermaß verteilt, geht es mehr um sich als um den anderen.
Um eine Portion Erbe, um die zwanghafte Suche nach Anerkennung, um die Beseitigung der eigenen Langeweile, um das Erhalten von Information und deren Verbreitung, also Tratsch, um das Ausüben von Macht.
Dieser Vymetal-Anruf, der passt weder zu viel noch zu wenig, der passt nämlich genau, und das ist, wenn es ums Kümmern geht, wahrlich eine Besonderheit.
Der Petar Wollnar allerdings, der vor drei Tagen den Metzger aus seiner Trance gerettet und direkt zur Djurkovic gebracht hat, der hätte in der Zwischenzeit auch schon längst einmal nachfragen können, wie es denn so steht um den Willibald Adrian, als Freund und Zweitschlüsselbesitzer. Bei dem hat nur leider die Metzger-Verkühlung erfolgreich um Herberge angesucht, und der wäre gerade selber sehr froh, würde irgendjemand kümmerartige Signale an ihn senden.
Jetzt ist also der Willibald dran mit dem Umsorgtwerden, und nachdem er am Telefon die Frage, wie es denn ginge, mit „Ich glaub, das muss ich Ihnen persönlich erzählen!“ beantwortet, vereinbaren die beiden einen neuerlichen gemeinsamen Danjela-Besuch, der dann im Krankenzimmer in sehr angenehmer zwischenmenschlicher Atmosphäre durchgeführt wird. Zusanne Vymetal redet auf Danjela ein wie ein Wasserfall, so intensiv und um diesen nervenaufreibenden Deut zu laut, hält ihre Hand, lächelt ab und zu in Richtung Willibald, der sich ein wenig wie ein Zaungast vorkommt. Seine folgende Bitte, ob sie doch draußen warten könne, er wäre gerne noch ganz kurz mit Danjela allein, löst bei Zusanne Vymetal wider Erwarten keine Entrüstung aus, sondern wohlwollendes Nicken. Dann ist sie draußen und eine erlösende Stille breitet sich aus, endlich. Der Metzger kann sich nicht vorstellen, dass Danjela dieser Vymetal-Weibertratsch, dieses leere, zwar gut gemeinte Gequatsche, in ihrer momentanen Situation wirklich interessiert.
Er umfasst mit seinen beiden großen Händen den Kopf seiner Danjela, küsst sie auf die Stirn und meint: „Komm wieder zu mir zurück, so geht das nicht!“, was im Metzger-Jargon gleichbedeutend ist mit „Ich liebe dich!“
Danach verlässt er nach einigen friedlichen Minuten mit dem schon routinierten Satz das Zimmer und wird draußen mit einem Schulterklopfer von einer überraschend freundlichen Zusanne Vymetal erwartet, die meint, als hätte sie zuvor gar nicht den Raum verlassen: „Gut machen Sie das!“
Wahrscheinlich steigt der Metzger deshalb auf ihren Vorschlag, doch gemeinsam Mittagessen zu gehen, ein und sitzt in weiterer Folge, bereits um 11 30 Uhr, vor vermutlich einem Teller. Ganz sicher ist er nämlich nicht, ob sich unter der monströsen goldgelb gebackenen Scheibe auch tatsächlich ein Teller befindet. Der Kellner hätte ihm theoretisch das Schnitzerl auch gleich so auf den Tisch legen können.
Während der Willibald Adrian nun mit halbwegs gesitteter Besteckkunst versucht, dem Fleisch ein Stück herauszuschneiden, ohne dass der Tisch mit ins Spiel kommt, erzählt er frei von der Leber weg über den Stand der Ermittlungen. Was er im Grunde nicht dürfte, denn was weiß er von Zusanne Vymetal? Die hört nun schweigsam zu, bis der Name Blaha fällt. Dann erfährt der Metzger, welche unrühmliche Bekanntheit dem Werner Blaha, dem großen Blaha, wie er genannt wird, vorauseilt. Und dass sie selbst schon auf den Geschmack kommen durfte, als sie eines Tages nach getaner Arbeit mit ihrer Reinigungstruppe auf den vor dem Stadion wartenden großen Blaha gestoßen ist, samt einigen anderen Recken mit Baseballschlägern in der
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