Der Metzger sieht rot
hätte es übersehen.
Neben OWUSO steht Villa Orchidee, und in weiterer Folge taucht hier, in derselben Zeile, ausnahmsweise doch ein Willibald auf. „Willibald fragen!“
Was heißt das, geht es dem Metzger durch den Kopf, was will sie mich fragen, die Danjela? Ob ich eine Villa Orchidee kenne?
Der Metzger holt sich das Telefonbuch und findet tatsächlich unter V: Villa Orchidee. Am Stadtrand, im nobelsten Bezirk, dort, wo sich all jene, deren Jojospiel die Restbevölkerung kontrolliert an einem Faden auf und abrollen lässt, mit Vornamen ansprechen.
Dann wählt er.
„Haus Orchidee, Sie sprechen mit Chantal, was kann ich für Sie tun?“
„Das ist eine gute Frage“, meint der Metzger, erstaunt über diese lammfromme, weiche und durchaus angenehme, ja sogar überaus angenehme Stimme, und setzt fort:
„Was können Sie also für mich tun?“
Sanft erwidert die Gegenseite:
„Nichts über das Telefon, mein Herr, da müssen Sie eine andere Nummer wählen. Wir bieten unseren Service nur im Haus und ganz direkt an.“
„Dann vielen Dank!“
Jetzt muss er auflegen, der Willibald, denn wenn es das ist, was er denkt, dann stellt sich wohl wirklich die Frage, was Danjela meint mit „Willibald fragen!“
Sie wird doch nicht meinen, geht es ihm durch den Kopf, nur weil wir noch nicht das gemacht haben, womit andere bereits während des ersten Kusses halb fertig sind, ich würde in der Zwischenzeit diesbezüglich wo anders Unterschlupf suchen?
Zerstreut steht er auf, geht in der Wohnung auf und ab, gießt gedankenabwesend nochmals die eine oder andere Pflanze, bis der das Wasser bis zum Hals steht und sie erstmals ein Gefühl dafür bekommt, was es wirklich heißt, schwimmen zu gehen. Was soll diese Bemerkung: Willibald fragen? Und was soll der groß geschriebene Name Owuso davor? Aufzeichnungstechnischer Zufall? Das kann nicht sein, so viel Phantasie hat selbst der Zufall nicht. Der Metzger weiß nicht weiter, aber es muss weitergehen, nichts erscheint ihm momentan zermürbender als Stillstand.
Erneut greift er zum Hörer und wählt:
„Hier Pospischill!“
„Kommissar, wie schaut’s aus, machst du Fortschritte mit dem Werner Blaha oder dem Kreuzberger?“
„Metzger, nerv mich nicht! Mir reicht schon der Oberst Jung. Also wie geht’s und vor allem, was gibt’s?“, klingt er eher gereizt.
„Villa Orchidee, sagt dir das was?“
„So schlecht geht’s dir nach nur knapp einer Woche. Bist also ein kleiner Lump!“
„Pospischill, ich find das ehrlich gesagt gar nicht lustig! Was ist bitte die Villa Orchidee? Also, ich höre.“
„Na, das Nobelpuff schlechthin. Da treffen sich Minister, Banker, Stars, Topmanager und solche, die das alles werden wollen, bestimmt auch unser Oberst Jung, lassen sich bedienen von oben bis unten und treffen Entscheidungen, die du dann oft Monate später aus der Zeitung erfährst: neue Besetzungen der Regierungsbank, Wechsel in Spitzenpositionen der Wirtschaft, weit reichende politische Verordnungen, Handelsexpansionen in den Osten, was das Herz begehrt!“
„Und da kann jeder hin?“
„Wenn du es dir an einem Abend leisten kannst, ein Monatsgehalt zu verprassen, ja! Und wenn du, da man dich ja nicht kennt, den Eindruck erweckst, du hättest Geld und Macht – sonst kommst du da ja gar nicht rein. Oder wenn dich wer mitschleppt, der all das hat und den jeder kennt.
Fazit: Vergiss es.
Warum bist du eigentlich heiß auf die Villa Orchidee, wenn du mir die Frage gestattest?“
Das traut sich der Metzger jetzt natürlich nicht, dem ohnedies schon grantelnden Pospischill von einer Kalenderseite und einem darin hingeschriebenen Wort zu erzählen.
„Interessiert mich halt!“
„Willst du also nichts erzählen, auch gut. Aber eines kann ich dir versichern, mit deinen schäbigen Sakkos kannst dich dort brausen gehen!“
Nach getaner Gießarbeit beschließt der Metzger, den Timer mitzunehmen und diesen Nachmittag zu nutzen, um sich auch noch ein wenig den auf der Werkbank wartenden Arbeiten zu widmen.
Möbeltechnisch wird er da heute allerdings nicht mehr viel ausrichten.
33
Jetzt wird also aufgeräumt bei den Ultras. Auch das hatte er ihr prophezeit. Sie liest sonst nie die Tagesblätter, aber nun kann sie es kaum erwarten, bis der Zeitungskolporteur am späten Nachmittag endlich unten an der Kreuzung auftaucht.
Im Sportteil dominiert seit Tagen nur ein Thema: Kicker Saurias Regis.
Die Krise der Sauria – Droht der Absturz von der
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