Der Metzger sieht rot
Hand. Gewartet haben die, um vor dem ausländischen Reinigungspersonal nicht unbedingt eine Sympathiekundgebung abzugeben, die nur durch das Auftauchen des Zeugwartes Walter Kuransky, ihrem heimlichen Liebhaber, auf wunderliche Weise nicht in eine handgreifliche Zuwendung ausartete. Zweimal hat sie ihn danach noch vor dem Stadion stehen gesehen, den Blaha, allein, gesagt hat er nichts mehr, nur geschaut. Und dieses Glotzen war von solch einer Angst einflößenden Überzeugungskraft, dass sie sich in weiterer Folge nach einigen neuen Mitarbeitern umschauen musste.
Am Ende dieser Schilderung ebbt das Gespräch ab. Was soll man auch in Anbetracht der Urgewalt menschlicher Abgründe noch viel reden? Unbedeutsame Worthülsen werden zwischen dem Metzger und der Vymetal hin und her geschoben wie Antragsteller auf diversen Ämtern, bis der Vymetal plötzlich einfällt:
„Haben Sie eigentlich in letzter Zeit die Pflanzen in Danjelas Wohnung gegossen?“
In Danjelas Wohnung gibt’s ja einige Eigenarten. Die Erste ist bekanntlich der Direkteingang von der Straße ins Vorzimmer, die zweite die absurde Lage im Herzen von Willibalds verachteter Schulvergangenheit, dem Humanistischen Gymnasium, und dadurch kommen jetzt alle anderen Eigenarten ins Spiel.
Die mit styroporartigen Platten stereotyp ausgelegten Decken der Schule, somit auch in Danjelas Wohnung;
die renovierungsbedürftigen Fenster, denn renoviert wurden in der Schule nur die Aula und das Stiegenhaus samt Lift;
das mitgenommene Fischgrätparkett in schmerzhafter Vereinigung mit diesen entsetzlichen grünen Türen.
Wobei Danjela zumindest die schmerzauslösende optische Wirkung dieser Türen durch gezielten Einsatz der mit Abstand wohnungsbestimmendsten Eigenart beseitigen konnte:
Überall stehen, hängen und ranken sich Pflanzen soweit das Auge reicht. Topfpflanzenschutzhaus, wie es der Willibald immer bezeichnet.
Es gibt ja nicht nur Tiere, die im Anschluss an die kuscheligen Entpackungsorgien unterm Weihnachtsbaum und die ersten Süß-Streichel-Streichel-Einheiten, spätestens durch Äußern hygienischer Grundbedürfnisse und einer „Auch-im-Urlaub-muss-wer-auf-mich-aufpassen“-Forderung, relativ bald zufällig auf den weniger frequentierten Parkplätzen diverser Autobahnen vergessen werden.
Es gibt ja auch ebensolche Pflanzen. Einer der Lieblingsorte, an denen nun solche Pflanzen zur heißesten Zeit des Jahres zurückgelassen werden, ohne Chance auf Regen oder andere Arten der Flüssigkeitszuführung, sind Klassenräume während der Sommerferien. Und Tschüss, weg sind die Kleinen mit ihrem Zeugnis und den Schwimmsachen. Alle gehen sie baden, auch die Pflänzchen. Und die Kinder, die mit ihren Zeugnissen ins Schwimmen geraten sind, sind dann auch meistens die Ersten, wenn sie das neue Schuljahr mit den ausständigen Nachprüfungen eröffnen und ihre noch leeren Ex-Klassen betreten, denen sich der Zustand einer Topfpflanze präsentiert, die baden gehen durfte.
Meistens ist da nur mehr so viel Grün zu sehen wie außerhalb der Golfplatzanlagen in Dubai.
Nicht in Willibalds Humanistischem Ex-Gymnasium oder Danjelas Wirkungsstätte. Da bleibt kein Gewächs zum Tod verurteilt in den Klassenräumen zurück. Alle versammeln sie sich zum eifrigen Prozess der Photosynthese, bestens genährt und gedüngt, in der Djurkovic-Schulwartloge und Schulwartwohnung, deren Klima während der Hitzemonate durchaus mit den tropischen Breiten mithalten kann.
„Zeigst du mir, wie Kind geht um mit Pflanze, sag ich dir, wie Eltern gehen um mit eigene Eltern. Keine Liebe und Pflege von Mama und Papa zu Omama oder Opa, keine Liebe und Pflege von Kind zu Topfpflanze. Weil, was soll Kind lernen, wenn nix gibt es zu sehen daheim?“, so der Djurkovic-Erklärungsansatz zum Thema Klimawandel.
Zu Schulbeginn stellt die Danjela dann die Stöcke wieder zurück, und sollten im Folgejahr die Kinder abermals die Pflanzen vergessen, sehen sie die nie wieder. Denn die bleiben dann unwiderruflich im Djurkovic-Refugium, das bereits dermaßen überfüllt ist, ähnlich den Asylantenheimen in den Vororten mitteleuropäischer Großstädte.
Und während der Metzger in Gedanken den Feuchtigkeitsgehalt der Topfpflanzenerde einschätzt, hört er die Vymetal mit ernster Stimme von der anderen Seite des Tisches:
„Haben Sie nicht. Sie haben also die Pflanzen nicht gegossen. Nicht dass eine eingeht, das wäre ein schlechtes Omen!“
Na ganz toll, das hat dem Willibald in seiner ohnedies schon auf
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