Der Metzger sieht rot
erreichst mich ja gerade!“, antwortet der Metzger, mit einem dröhnenden Kopfschmerz und dem typischen Ein-Achterl-zuviel-Geschmack im Mund.
„Gerade ist gut! Es ist nämlich schon eine ganze Weile her, dass du mir wegen Danjelas Rad aufs Band gesprochen hast. Da haben wir gerade in der Alten Mühle und in den Kreisen der Ultras mächtigen Wirbel veranstaltet. Jetzt wird aufgeräumt, dass kein Ultras-Staubkorn mehr auf dem Boden liegen bleibt, kann ich dir sagen, so ein Haufen Idioten. Mit dem Vorstrafenregister dieser Truppe reicht es uns, wenn der Chef unter Mordverdacht oder Verdacht der Mithilfe zum Mord steht und eine Person im Koma liegt, um dort mal ordentlich Angst und Schrecken zu verbreiten.
Der rote Blitz hat sich da wohl gerade in Luft auflösen wollen, wie du ihn vorbeistrampeln gesehen hast. Den finden wir auch noch. Werner Blaha heißt der Schwachkopf, der jüngere Bruder vom Kurti Blaha!“
„Und, hat er die Danjela auf dem Gewissen?“, kommt es dem Willibald nicht unbedingt euphorisch über die Lippen.
„Laut Alte-Mühle-Chef Georg Schneider, den wir gerade dermaßen windelweich klopfen, der würde alles gestehen, ja. Einfach aus Hass gegen Ausländer und aus Wut, dass es überhaupt so eine Dahergelaufene wagt, bei ihnen herumzuschnüffeln, in ihr Revier einzudringen und Verhöre abzuhalten. ‚Eine Ausländerin, die einen Inländer verhört, wo kämen wir da hin‘, ist sogar dem Schneider ausgekommen. Der übrigens trotz aller Redefreude noch immer abstreitet, das Gift beschafft zu haben. Das ist aber so was von egal, kann ich dir sagen! Jetzt werd ich mir gleich alle Blahas vorknöpfen, und da kann der Oberst Pisser Sturm läuten!“
„Wer?“, fragt der Metzger verwundert.
„Egal!“, wimmelt der Kommissar die Frage ab und setzt fort,
„ich wollte dir nur mitteilen, dass wir wegen Danjela Fortschritte gemacht haben!“
„Und jetzt, wie geht’s jetzt weiter?“, geht dem Willibald die Kraft schön langsam aus, nur noch angestrengt hört er:
„Auf jeden Fall müssen wir zu allererst den Kreuzberger finden. Der ist spurlos verschwunden! Das könnte eine zähe Angelegenheit werden, weil da doch ziemlich Druck von oben kommt. Normalerweise sind wir beim Suchen nämlich eher entspannt. Wer untertaucht, kommt irgendwann ganz von allein hoch zum Luftschnappen. Da braucht man nur zu warten!“
„Warten ist schwer, glaub mir Eduard!“, kommt ihm noch aus, dem Willibald, dann ist es mit der Kraft vorbei.
Mit einer Wucht überfällt ihn die Hilflosigkeit seines ganzen Ausgeliefertseins dem Schicksal gegenüber. Wann oder ob Danjela wieder zu Bewusstsein kommt, das wissen die Götter. Und die interessieren sich ja bekanntlich für die Menschen genauso viel wie ein Vegetarier für ein Beuschel.
Heute geht der Metzger so früh schlafen, da streiten sich andere Familien gerade ums Hauptabendprogramm, und während er zusammengekauert, vom Alkohol geprügelt und mit schweren Gliedern in seinem Bettgestell verschwindet, klettert ihm plötzlich von unten herauf, ausgehend bei den Füßen, eine Wärme empor, genau so etwas hätte er sich jetzt auch gewünscht, vorausgesetzt, er wäre bereits vorher jemals mit so einer Form der Erwärmung in Kontakt gekommen.
Sorgfältig werden da gerade alle Regionen bis hinauf zur Brust abgeklappert, bis schließlich unter der Decke ein dunkler schwarzer Punkt zum Vorschein kommt. Edgars Nase schnüffelt behutsam in die Metzger-Seele hinein, dann legt sich ein flauschiger Kopf in die sehr weiche Falte zwischen Achsel, Oberarm und Brustkorb. Der ruhige Atem des Hundes verbreitet eine Behaglichkeit, die der Willibald nie für möglich gehalten hätte. Zum ersten Mal versteht er Hundebesitzer, zum ersten Mal teilt er sein Bett mit einem zweiten lebendigen Wesen, ausgenommen Milben und andere Untermieter, zum ersten Mal wird er sich nicht umdrehen trauen auf der eigenen Matratze, nur um Edgars gleichmäßiges Atmen nicht zu stören, und trotzdem einschlafen.
32
Tag Nummer vier, seit Danjela im Koma liegt, beginnt mit einem Anruf. Der Metzger wäre fast aus dem Bett gefallen in Anbetracht des eingeschlafenen Arms, der nun eine Nacht lang für Edgar vorgesehen war. Unter den Munteren dieser Welt weilte er schon des Längeren, der Willibald, denn der Hund hatte sich während des Schlafens, und vor allem während des anbrechenden Morgens, doch des Öfteren umgedreht und mit seiner letzten Position die Schnauze bedenklich nahe an Willibalds Nase herangeführt.
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