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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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dem Traum in die Wirklichkeit gerutscht. Obwohl, Traum hat der zum Rüberrutschen gar keinen gebraucht.

30
    Ein Restaurator also. Nur warum? Was hat ein Möbeldoktor, noch dazu ein entsetzlich verstaubter, bereits am helllichten Tag betrunkener, in dieser Geschichte verloren. Aus welcher Ecke kommt der in den Ring?
    Anfangs ist es nur ein vorsichtiger Blick, den sie durch das Auslagenfenster in die Werkstatt wirft, ohne jedoch dabei irgendjemanden zu entdecken. Wie dann allerdings vom Trottoir durch die Scheibe im hinteren Teil des Geschäftes gerade noch die von einem Sofa herabhängenden Beine auszumachen sind, klopft sie kurz an die Scheibe. Gesehen hätte sie ihn gern, um herauszufinden, ob sie mit ihrer Vermutung richtig liegt, ob dieser eruierte Willibald Adrian Metzger auch wirklich der Typ aus dem Stadion und dem Spital ist. Aber keine Chance, die Beine bleiben regungslos, als wäre da schon wer anderer sehr gründlich gewesen.
    Dann geht sie hinein, jederzeit bereit umzudrehen, natürlich mit dem Wunsch, dieser Metzger würde nun genauso regungslos liegen bleiben. Dieser Wunsch geht in Erfüllung, trotz dieses nervigen Geklingels beim Eintreten. Langsam steigt sie die Stufen in dieses Kellergewölbe hinunter, schleicht vorsichtig an der Werkbank vorbei, bis sie schließlich um die Ecke in den hinteren Bereich blicken kann. Gleichmäßig hebt und senkt sich der Brustkorb der auf einer Chaiselongue halb sitzenden, halb liegenden Person.
    Tatsächlich, Willibald Adrian Metzger kann es ja namenstechnisch wirklich nur einen geben, ganz abgesehen davon, so ein Exemplar eines Mannes bekommt man äußerst selten zu sehen.
    Ein weiches, beinah feminines, rundes Gesicht strahlt trotz einer eher mitgenommen wirkenden Grundphysiognomie eine Ruhe aus, so ein Typ Mann könnte prächtig die beste Freundin einer redebedürftigen Frau abgeben, denn jeder Gedanke in sexueller Hinsicht wird in Gegenwart einer solchen Erscheinung mehr oder weniger im Keim erstickt. Wer legt sich schon zum Zwecke der Paarung mit einem Teddybären ins Bett? Ein Kuscheltier ist er also. Und ein solches hat er nun auch, wohl ein ebenso verschlafenes. Denn anders ist es nicht zu erklären, warum nicht der Lärm der Glocke ausreicht, um die Beschützerinstinkte dieses entzückenden Viecherls auszulösen, sondern erst ein visuelles Wahrnehmen die einzige logische Reaktion hervorruft.
    Bellend stürmt der Hund aus einem seltsamen, an der Wand aufgestellten Kastengerippe heraus und demonstriert eindrucksvoll seine Gefahrlosigkeit.
    Jetzt ist es Zeit zu gehen.
    Allerdings nicht, ohne diesen Gegenstand zurückzulassen.
    In Zukunft wird er sich hüten herumzuschnüffeln.

31
    Der Metzger hat jetzt nicht gerade einen besonders ausgeprägten Geruchssinn, sein Riechvermögen reicht aber bei Weitem aus, um festzustellen, dass er diese betörende Duftnote, die da aus dem Traum in die Wirklichkeit mitgerutscht ist, schon einmal wissentlich einatmen durfte, nämlich während seiner nächtlichen Ausgangssuche im Stadion.
    Was er allerdings nicht feststellen kann, ist, ob dieses Aroma, die plötzliche Anwesenheit in der Werkstatt betreffend, nun ausschließlich seiner Phantasie entspringt, oder ob es sich tatsächlich in die Luft des Kellergewölbes gemischt hat. Da wäre dann allerdings die Frage zu beantworten: Wo kommt es her?
    Inzwischen hat sich Edgar wieder beruhigt und schnuppert, als hätte er vom selben Bukett geträumt, was nun eher die zweite Theorie bekräftigt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Hund überhaupt zu bellen begonnen hat, denn das macht zumindest Edgar nicht grundlos.
    Eine nicht gerade beruhigende Schlussfolgerung, denkt sich der Metzger. Ganz in sich gekehrt, macht er sich ans Nachhausegehen, schultert sein Jackett, nimmt den Hund an die Leine und keine Notiz vom blinkenden Anrufbeantworter.
    Und wie er den Rollladen seiner Werkstatt ratternd ins Schloss fahren lässt, beschleichen ihn doch ein mulmiges Gefühl und die Vermutung, es wäre jemand da gewesen.
    Dabei hat er ja noch gar nicht die kleine Veränderung auf der Werkbank bemerkt.

    Zuhause angekommen, kaum dass die Türe geschlossen ist, läutet das Telefon.
    „Sag, wo bist du, Willibald? Du bist nicht zu erreichen, weder in der Werkstatt noch zuhause. Mir fehlt momentan wirklich die Zeit, um dir hinterherzulaufen! Es wäre echt an der Zeit, dass du dir ein Mobiles zulegst, die kosten ja eh nichts mehr!“, hört er einen kurzatmigen, angespannten Pospischill.
    „Aber du

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