Der Meuchelmord
daß Geräusche aus seinem Telefon kämen. Bei der Überprüfung am nächsten Morgen konnte an seiner Leitung kein Fehler festgestellt werden. Andererseits war der Draht, der von der Zentrale in Elizabeths Zimmer führte, durchschnitten. Seine Nichte war am Morgen mit Dallas schwimmen gegangen und dann mit einem Mann weggefahren, der kurz nach neun Uhr gekommen und sich als Peter Matthews vorgestellt hatte. Dagegen hatte Huntley nichts, weil er sich an Elizabeths Freund erinnerte, der vor ein paar Jahren häufiger Schloß Freemont besuchte. Warum sollte sie nicht mit einem alten Verehrer wegfahren? Vielleicht brauchte sie genau das, um sich nach dem Gespräch der vergangenen Nacht wieder zu beruhigen.
Daß auch Eddi King fehlte, war ein ganz anderer Fall. Er hatte zwanzig Minuten nach Elizabeth und Matthews das Schloß ohne jede Erklärung verlassen. Nach Angaben der Wache war er um 9 Uhr 40 durch das Tor gefahren. Das Dienstmädchen, das den Kaffee zum Swimmingpool brachte, sagte, etwa um 9 Uhr 15 die Frau gesehen zu haben, die sie für Elizabeth hielt, und zwar allein. Dallas lebte also noch, als Elizabeth wegfuhr. Das Mädchen hatte sich genauso wie er selbst durch die auffällige schwarzweiße Badekappe täuschen lassen.
»Sie können sich doch denken, welchen Eindruck das macht«, bellte Huntley. »Ihr fehlt nichts, aber sie wurde ertrunken aufgefunden. Alle Leute werden glauben, sie hätte Selbstmord begangen. Es wird zu einer formellen Untersuchung kommen – Herr im Himmel, das wäre Material gegen die Demokraten! Einen Skandal können wir uns unter gar keinen Umständen leisten, weil das ein gefundenes Fressen für meine Gegner wäre. Und das kann ich mir nicht erlauben.«
Er hielt inne und betrachtete Harper. Er bezahlte ihm fünfundzwanzigtausend Dollar pro Jahr nur dafür, daß er sich zur Verfügung hielt. Seine Bemühungen wurden noch extra berechnet. Jetzt hatte er Gelegenheit, sich dieses enorme Honorar tatsächlich zu verdienen.
»Sie glauben also nicht an Selbstmord?«
»Nein.« Harper schüttelte seinen massigen Schädel. Er war selbstverständlich ein hervorragender Arzt, der nicht so leicht etwas übersah.
»Ich habe eine sehr gründliche Untersuchung vorgenommen und bin tatsächlich auf etwas gestoßen. Ohne Autopsie kann man nicht viel machen, aber eine Kleinigkeit fiel mir trotzdem auf.« Er ließ sich absichtlich Zeit. Die Reichen erwarten etwas für ihr Geld, und Huntley Cameron sollte es auch bekommen. Es würde für ihn eine unangenehme Überraschung werden, und die wollte er sich solange wie möglich aufsparen. Es paßte ihm nicht, daß man ihn so herumkommandierte, aber er war andererseits zu faul, sich sein Geld auf reguläre Art und Weise zu verdienen.
»Ich habe an ihrem Hals in der Nähe des Schlüsselbeins eine winzige Druckstelle gefunden.«
»Na und?«
»Es sieht ganz so aus, als wäre vor dem Eintritt des Todes Druck auf ihre Halsschlagader ausgeübt worden«, erklärte Harper. »Es handelt sich dabei um eines der wichtigsten Nervenzentren, Mr. Cameron. Ein Schlag gegen diesen Nerv kann zur Lähmung oder gar zum Tod führen. Wenn jemand, der sich genau auskennt, rasch einen Druck auf dieselbe Stelle ausübt, führt das zu einer Bewußtlosigkeit von mehreren Minuten Dauer.« Er räusperte sich und freute sich über Huntleys erstauntes Gesicht. »Das wäre allerdings schwer zu beweisen, da man mit einem kleinen blauen Fleck nicht viel anfangen kann. Aber ich glaube, daß Miß Jay ermordet wurde. Irgend jemand, der sich in dieser Beziehung außerordentlich gut auskannte, machte sie bewußtlos, während sie schwamm, und ließ sie ertrinken.« Er räusperte sich noch einmal. »Das könnte allerdings einen sehr häßlichen Skandal geben.«
Huntley antwortete nicht gleich. Er stand hinter seinem Schreibtisch auf und trat an einen Schrank, der in die Steinmauer des Turms eingelassen war. Er goß sich den größten Whisky pur ein, den Harper jemals gesehen hatte, und leerte das Glas in einem Zug. Harper wußte, daß Huntley trank. Seit fünf Jahren beobachtete er nun schon diesen Mann mit der eisernen Konstitution, hatte aber noch nie das geringste Anzeichen für gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums entdeckt. Huntley war jetzt ruhiger geworden.
»Es darf nie herauskommen«, sagte er und füllte sein Glas nach. »Das ist Ihnen doch klar, Harper: Ob es sich nun um Selbstmord oder um Mord handelt, die Zeitungen dürfen nichts davon erfahren. Wieviel bekommen Sie von mir im
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