Der Meuchelmord
Jahr?«
Harper wurde abwehrend. »Fünfundzwanzigtausend. Aber Sie müssen verstehen, daß ich unmöglich eine Sache decken kann …«
»Für vierzigtausend müßte es Ihnen möglich sein«, unterbrach ihn Huntley. »Die Gesundheit eines Menschen ist sein wertvollster Besitz. Sie sind ein guter Arzt. Sie sind mir vierzigtausend pro Jahr wert.«
Harper machte den Mund auf und klappte ihn dann sehr langsam wieder zu. Vierzigtausend Dollar. Dafür mußte er sich in einer normalen Praxis von früh bis spät abrackern. Auf jeden Anruf springen und reiche Frauen behandeln, denen nichts weiter fehlte als die Angst vor dem Altwerden; er mußte herumfahren, Sprechstunden halten, immer zur Stelle sein. Und natürlich mußte er für seine Familie ein neues Haus kaufen. Ihnen gefiel es hier. Seine Frau hatte gerade neben dem Schwimmbad eine Sauna eingerichtet. Sie war als Statussymbol der letzte Schrei und hatte eine Menge Geld gekostet.
Er betrachtete Huntley Cameron, aber der Alte beachtete ihn gar nicht, sondern er trank seinen Whisky aus.
»Und was soll ich auf den Totenschein schreiben?«
»Natürlich die Wahrheit.« Huntley sah ihn überrascht an. »Was denn sonst? Die echte Todesursache bei dem armen Mädchen.«
»Herzversagen«, murmelte Dr. Harper. »Sie nahm seit zwei Jahren die Pille. Ich hatte sie ihr selbst verschrieben. Nach meiner Überzeugung handelt es sich um Herzversagen, das die Folge dieser Verhütungsmethode sein kann oder auch nicht. Ich werde in dem Protokoll klarstellen, daß ich gegen diese Methode bin, weil sie noch nicht genügend erprobt ist.«
»Tun Sie das«, sagte Huntley. »Und jetzt sollten wir besser die Polizei rufen. Sprechen Sie mit den Beamten, ich bin zu aufgeregt.«
Um die Mittagszeit glich Freemont einer belagerten Festung. Reporter, Fotografen, Kameraleute und Schaulustige hatten sich rund um die Mauern niedergelassen. Draußen patrouillierte die Polizei und bemühte sich, gemeinsam mit Huntleys Leibwache, den Verkehr in Gang zu halten und jedes Überklettern der Mauern zu verhindern. Kurz nach der Benachrichtigung der Polizei hatte Huntleys eigener Nachrichtendienst die Meldung gebracht. Er selbst war in seinem Büro geblieben und hatte dem zuständigen Polizeicaptain in einem kurzen Interview erklärt, der Tod seiner Verlobten hätte ihm beinahe das Herz gebrochen. Das Bild des Beamten erschien auf den Titelseiten der Zeitungen und auf den Fernsehschirmen. Huntley fügte hinzu, sie hätten gleich nach den Präsidentschaftswahlen heiraten wollen. Er spielte seine Rolle gut. Er unterschätzte seine Macht nicht, strapazierte sie aber auch nicht unnötigerweise, es sei denn gegenüber einem Mann wie Harper, von dem er wußte, daß er käuflich war. Es war immer klug, die zuständige Polizei auf seiner Seite zu haben. Er ließ den Captain mit Whisky vollaufen, erzählte ihm eine Menge Lügen über sich und Dallas und verabschiedete ihn dann sehr freundschaftlich. Es stellte sich heraus, daß dieser Captain Huntleys Wunsch nach Abgeschiedenheit sicherer garantierte als seine eigene Streitmacht.
Huntley schaltete den Fernseher in seinem Büro ein und wartete auf die ersten Berichte. Dabei beschäftigte er sich ununterbrochen mit den drei noch ungeklärten Fragen, denen er nachging wie einem roten Faden in einem Labyrinth. Warum hatte jemand die Telefonleitung zu Elizabeths Zimmer durchschnitten? Warum war Eddi King verschwunden? Aus welchem Grund wurde Dallas ermordet? Die vierte Frage ließ sich nur in Verbindung mit den drei anderen beantworten: Wer hatte sie ermordet? Als er das Ende des roten Fadens erreichte, war er dem Labyrinth entronnen: Er sah wieder klar.
Niemand wollte Dallas töten. Aber jemand hatte versucht, Elizabeth daran zu hindern, Verbindung zur Außenwelt aufzunehmen. Dieser Jemand hatte zunächst ihr Telefon unterbrochen, um sie für die Nacht zu isolieren. Dann war er demselben Irrtum zum Opfer gefallen wie das Dienstmädchen und Huntley selbst: Alle drei hatten die Schwimmerin wegen der Badekappe für Elizabeth Cameron gehalten.
Dallas' Mörder hatte geglaubt, daß es sich bei dem Opfer um seine Nichte handelte, und sich dann aus dem Staub gemacht – genau wie Eddi King, der bestimmt annahm, daß man die Tote auf dem Grund des Swimmingpools für ein Unfallopfer halten würde.
Nur aus einem einzigen Grund konnte King Elizabeth so sehr fürchten, daß er Anlaß sah, sie zu ermorden. Auf irgendeine Weise – vielleicht durch Dallas' betrunkenes
Weitere Kostenlose Bücher