Der mieseste Liebhaber der Welt
leidenschaftliche Verstrickungen, gemeine Dialoge, zynische Helden, Lügen, Betrug und Verzweiflung
auf breiter Front. Annie lag in meinem Arm, wir küssten uns sanft, bevor wir einschliefen. War ich froh, dass wir mit dieser
Leidenschaft
nichts zu schaffen hatten, man sah ja, was dabei herauskam. Annie war zu müde, um zu widersprechen.
***
»Guten Tag, Frau Krohn, Sie hatten mich angerufen? Ein Problem mit der … äh … Waschmaschine?«
»Kommen Sie doch rein, ich hatte Sie noch nicht so früh erwartet. Entschuldigen Sie meinen Aufzug.«
Die
Kundin
trug nur ein knappes Top und einen kurzen Rock. Vermutlich hatte sie darunter nicht mal ein Höschen an.
»Ach, das macht doch nichts … Zeigen Sie mir doch mal, wo das Problem liegt.«
Die Dame ging voran. Schwer zu schätzen, wie alt sie war, Mitte dreißig bis Mitte vierzig, irgendwo in dem Bereich konnte
sich das abspielen. Sie sah aus wie eine ältere Variante von Jennifer Aniston, nicht so dürr und puppig, aber sonst ging’s
in die Richtung. Ein paar Lachfältchen im leicht gebräunten Gesicht, ein paar graue Strähnen im brünetten langen Haar, eine
sportliche Figur, lebendiger Typ. Ihr Gang federte. Sie hatte die Ausstrahlung eines Menschen, bei dem man sich gleich aufgehoben
fühlte. Pferde stehlen, Kuchen backen, Autokino – diese Frau hatte das alles im Programm.
»Ich weiß auch nicht, warum diese dumme Maschine nicht läuft!«
Um mir das Ausmaß der technischen Katastrophe zu zeigen, lehnte sie sich weit über den Toplader, ihre kleinen festen Brüste
fielen ihr dabei fast aus dem Top. Ich griff ihr unter den Rock. Kein Slip, wie erwartet. Die Kundin drehte sich zu mir um
und sagte:
»Ich wusste gleich, dass Sie hier alles im Griff haben!«
Dabei schaute sie mich lasziv an. Ich schaute ebenso verführerisch zurück. Hoffte ich jedenfalls. Zehn Sekunden etwa hielten
wir die Pornophantasie aufrecht. Vermutlich sollte mir die halbnackte Dame jetzt gezielt in den Blaumann greifen und dann
würde ich über der Waschmaschine über sie herfallen, möglichst im Schleudergang. Doch wir kriegten es einfach nicht hin. Wir
brachen beide im selben Moment in Lachen aus, Annie lehnte sich prustend gegen die Waschmaschine, ich rutschte am Rücken an
der Wand entlang auf den Boden und schüttelte lachend den Kopf.
»Hast du ernsthaft geglaubt, das könnte funktionieren?«
»Na ja, wir waren es ihr schuldig.«
»Wollen wir es beichten?«
»Daran werden wir nicht vorbeikommen, fürchte ich.«
»Ich glaube, dann schmeißt sie den Job endgültig hin.«
»Tja, sieht so aus, als ob wir nicht therapierbar sind.«
»Nicht mal als Klempner und geile Hausfrau.«
»Nicht mal dann.«
Annie seufzte.
»Mensch, Markus, du musst dir ein bisschen mehr Mühe geben.«
»Als Klempner?«
»Nein, du Idiot, als mein Mann, dessen verdammte Pflicht es ist, hin und wieder dafür zu sorgen, dass mir Hören und Sehen
vergeht.«
»Schatz, dazu respektiere ich dich doch viel zu sehr.«
»Wenn das so ist – dann mach mir was zu essen!«
Wir lachten und nahmen uns in den Arm. Ich küsste Annie und sie küsste mich zärtlich zurück. Wo war das verdammte Problem?
***
Und richtig: Frau Dr. Weihrauch behauptete von Anfang an, unser Problem sei, dass uns das richtige
Problembewusstsein
fehle. In erster Linie natürlich mir, sonst wären wir ja kaum bei ihr gelandet.
»Wenn Sie glauben, Sie können Ihre Beziehung im Grunde auch ohne Sex weiterführen, dann muss ich Ihnen sagen: So etwas ist
die Ausnahme, langfristig.«
Annie runzelte die Stirn. Ich zuckte bloß mit den Schultern.
»Was ist mit diesem Kollegen von Ihnen, der in seinem Bestseller behauptet hat, Sex in langen Beziehungen werde total überschätzt?«
»Von welchem Herrn reden Sie?«
»Wie der heißt, vergesse ich immer. Irgendein Frauenname.«
»Ach, verstehe. Der mit den
Mythen, die Liebe betreffend
.«
»Genau der.«
»Was behauptet der Mann doch gleich?«
»Dass man sich in langen Beziehungen entscheiden muss: Freundschaft oder Leidenschaft, verkürzt zusammengefasst. Freundschaft
sei möglicherweise schöner, funktioniere aber auf Dauer nicht im Pakt mit leidenschaftlichem Sex. Zu viel Nähe. Das Konservieren
der Leidenschaft sei nur durch Turbulenzen und Disharmonien im Alltagsleben der Beziehung zu gewährleisten.«
Annie fiel mir ins Wort.
»Das heißt, wenn’s im Alltag nicht so gut läuft, geht im Bett die Post ab?«
»So könnte man es
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