DER MILLIONÄR AUS MIAMI
Nicole davonfuhr. Sie war wirklich außergewöhnlich. Eigentlich war sie viel zu zurückhaltend für seinen Geschmack. Aber wenn sie lächelte, war es, als würde die Sonne aufgehen, und ihr Lachen berührte ihn tief. Sie gehörte zu den Frauen, um die ein Mann sich bemühen musste – und das nicht, weil sie sich etwas auf ihre Schönheit eingebildet hätte. Obwohl sie schön war, das stand außer Frage. Es war vielmehr so: Wer das Herz dieser Frau erobern wollte, der musste sich anstrengen, denn sie würde es nicht leichtfertig hergeben.
Den Rest des Tages arbeitete Rafe von Michaels Haus aus. Eigentlich hätte er am Abend todmüde sein müssen, aber er konnte einfach nicht einschlafen. Erst nach langen wachen Stunden fiel er in unruhigen Schlaf.
Flammen umzüngelten ihn, er hörte schrille Schreie und sah, wie sich das Gesicht seines Vaters in eine verzerrte Maske aus Schmerz verwandelte.
Dann hörte er seinen Vater schreien.
Die schiere Qual in seiner Stimme versetzte Rafe in Panik. Und dann hörte er seinen Bruder Leo. „Daddy! Daddy!“
Rafe rannte auf seinen Vater und Leo zu, versuchte, sie zu retten. Doch als er sie fast erreicht hatte, schoss zwischen ihnen eine Mauer aus dem Boden. Sie war transparent. Er konnte alles sehen, was dahinter geschah, doch die Barriere war unüberwindlich.
Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Wand, während er mitansehen musste, wie die Flammen Leo und seinen Vater verschlangen.
„Ich muss durch!“, rief er verzweifelt. „Ich will durch!“ Seine Knöchel begannen von den heftigen Schlägen zu bluten. „Dad! Leo!“
Das Gesicht seines Vaters wurde grau, leichengrau. Leos Schreie erfüllten seine Ohren. Rafe rannte los, er musste, musste sie einfach retten …
Ein Wadenkrampf weckte ihn. Schwer atmend setzte Rafe sich im Bett auf. Er war schweißgebadet. Sein Herz raste. Er musste sie retten!
Erst nach einigen Sekunden begriff er, dass es nur ein Traum gewesen war. Derselbe Traum, der ihn immer wieder heimsuchte, seit er erfahren hatte, wie sein Vater und sein Bruder ums Leben gekommen waren. Es war zu spät, und doch: Er wollte sie noch immer retten.
Rafe atmete tief durch, stand auf und begann unruhig im Schlafzimmer auf und ab zu laufen. Langsam trocknete der Schweiß auf seiner Haut. Es war nur ein Traum gewesen. Rafe konnte nichts mehr für die beiden tun. Diese traurige Erkenntnis hatte er schon zum wohl hundertsten Mal, aber ganz begreifen würde er es vermutlich niemals.
Dann dachte er an seinen Sohn. Für ihn konnte er noch etwas tun. Und nichts würde sich ihm dabei in den Weg stellen!
Früh am nächsten Morgen legte Rafe sich einen Plan zurecht. Erst als sein Blackberry klingelte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
„Guten Morgen, Maddie“, begrüßte er seine Assistentin. „Was gibt’s?“
„Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Mr. Argyros in der Stadt ist und sich mehrmals nach Ihnen erkundigt hat. Ich habe den Eindruck, dass er kaufen möchte.“
„Bis jetzt hat er immer mit Livingstone zusammengearbeitet. Wahrscheinlich hofft er, dass ich ihm ein günstigeres Angebot mache.“
„Ja, das ist gut möglich.“
Rafe spürte den vertrauten Hunger in sich, das Bedürfnis, zu gewinnen. „Wie lange ist er noch hier?“
„Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich denke, etwa drei Tage.“
Seufzend strich er sich durchs Haar. Er war daran gewöhnt, schnell schwierige Entscheidungen treffen zu müssen, aber diese hier war noch komplizierter als gewöhnlich. „Okay. Sie müssen ein Haus für mich finden.“
„Ein Haus?“, wiederholte seine Assistentin irritiert. „Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?“
„Ich habe einen Sohn. Deswegen werde ich einige Veränderungen in meinem Leben durchführen müssen. Ich werde ihn mit nach Miami nehmen.“
Maddie schwieg eine Weile, dann flüsterte sie: „Einen … Sohn?“
„Ja. Seine … Mutter wird auch dabei sein.“
„Oh.“
„Die Situation ist kompliziert.“
„Klingt ganz so“, erwiderte Maddie.
„Morgen erhalten Sie weitere Anweisungen.“
„Übermorgen müssen wir nach Miami aufbrechen“, erklärte Rafe, als er Nicole am selben Abend einen Überraschungsbesuch abstattete.
Sie warf ihm einen fassungslosen Blick zu. „Wie bitte?“
„Es geht ums Geschäft. Ich kann nicht länger warten und werde Joel auf keinen Fall hierlassen.“
Nicoles Magen verkrampfte sich. „Warum nicht? Joel geht es hier bei mir blendend!“
„Er ist mein Sohn, und ich will, dass er bei mir
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