DER MILLIONÄR AUS MIAMI
zu Rafe auf, der erklärte: „Wir werfen sie zurück ins Meer.“
Als der Kleine ihm ein strahlendes Lächeln schenkte, hob Rafe ihn auf seine Arme. Nicole konnte kaum glauben, wie ähnlich Vater und Sohn sich sahen. Der einzige Unterschied war, dass Joel strahlend blaue Augen hatte.
„Frühstück?“, fragte Rafe.
„Ja, gern, ich ziehe mir nur eben etwas an.“ Dankbar flüchtete sie in ihre Kabine zurück, wo sie sich vor dem Spiegel einen strengen Blick zuwarf. Ihr Traum hatte sie vollkommen aus der Bahn geworfen. „Reiß dich zusammen“, befahl sie ihrem Spiegelbild.
Joels Aufregung hielt den ganzen Tag über an. Einige Male nahm er Rafe sogar bei der Hand. Diese vertrauensvolle Geste berührte Rafe zutiefst. Joel würde sich an ihn gewöhnen. Von Tag zu Tag würde sein Sohn ihm mehr vertrauen, sich mehr auf ihn verlassen und ihn schließlich vielleicht sogar ebenso lieben wie seine Mutter.
Mit Nicoles Unterstützung würde all das schneller gehen, und Rafe spürte, dass er langsam auch ihr Vertrauen gewann.
Heute war sie viel lockerer gewesen als sonst, fast schon entspannt, doch er spürte immer noch hin und wieder ihre skeptischen Blicke auf sich ruhen.
Als sie spät am Abend nach Hause zurückgekehrt waren, schlief Joel fast augenblicklich ein. Rafe lud Nicole ein, gemeinsam mit ihm auf der Veranda zu essen.
„Sind Sie als Erwachsener eigentlich jemals in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt gewesen?“, fragte Nicole, nachdem sie aufgegessen hatten.
Warum sprach sie ihn nur ständig auf solche Sachen an? „Ja, leider. Ich habe früher als Türsteher gearbeitet, und ein paar Mal gab es keine andere Lösung, als mich mit Gewalt durchzusetzen. Warum fragen Sie?“ Er sah ihr in die Augen.
„Weil ich wissen muss, wie Sie zu diesem Thema stehen.“
„Manchmal muss man sich verteidigen können. Wenn zum Beispiel jemand versuchen würde, Ihnen oder Joel wehzutun, würde ich alles tun, um Sie und ihn zu beschützen“, antwortete er aufrichtig.
Sie erwiderte seinen Blick und schwieg einen Augenblick lang. „Und wie sieht es mit Joel aus? Würden Sie jemals die Hand gegen ihn erheben?“, fragte sie schließlich. „Oder … gegen eine Frau?“
Angewidert verzog Rafe das Gesicht. „Was wäre ich denn für ein Mensch, wenn ich Frauen und Kinder schlagen würde?“
„Ist das wirklich Ihre Meinung?“, hakte sie unsicher nach.
„Natürlich! Nur Feiglinge gehen auf Menschen los, die schwächer sind als sie selbst.“ Er seufzte und fasste sich ein Herz. „Nicole, bitte sagen Sie mir endlich, warum Sie all das von mir wissen wollen.“
Nun wich sie seinem Blick aus. „Das war nur so eine prinzipielle Frage.“
„Ich glaube Ihnen nicht.“
„Finden Sie nicht, dass ich ein Recht darauf habe, zu erfahren, zu was für einem Menschen ich meinen Sohn gebe?“
Er musterte sie lange und eindringlich. „Sie haben also ernsthaft Angst, dass ich ihn schlagen könnte?“
„Man kann nie wissen“, murmelte sie.
„Nicole, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Ich glaube nicht daran, dass man mit Gewalt irgendetwas bewegen kann – und schon gar nicht, wenn es um Kinder geht! Ich will Joel beschützen, nicht verletzen.“
Er beobachtete, wie Nicole um Beherrschung rang.
„Sie verheimlichen mir doch etwas.“
Noch immer wich sie seinem Blick aus und hüllte sich in Schweigen.
„Liegt es an meiner Herkunft? Denken Sie, dass jemand mit meiner Vergangenheit automatisch ein Schläger ist?“
Auch jetzt antwortete sie nicht, und ihr Schweigen verletzte ihn mehr als tausend Worte. „Dann stimmt es also.“ Abrupt stand er auf. „Ich muss ein Weilchen allein sein. Falls Sie mich brauchen, können Sie mich auf dem Handy anrufen.“
Endlich sah Nicole auf. „Rafe, Sie verstehen das alles ganz falsch!“
„Das bezweifle ich“, erwiderte er kühl. Dann drehte er sich um und ging.
Eine laue Brise wehte über das Meer und fuhr Rafe durchs Haar. Nicoles Misstrauen machte ihn wütender, als er seit Jahren gewesen war. Warum war sie ihm gegenüber nur so abweisend? Mittlerweile bedeutete sie ihm vielleicht sogar mehr als Tabitha jemals. Er musste sich zusammenreißen! Denn so würde er nicht weiterkommen. Außerdem hatte er seine Lektion gelernt: Frauen brachten nur Ärger, jedenfalls wenn man sie zu nah an sich heranließ.
Eigentlich konnte es ihm egal sein, dass Nicole so schlecht über seine Herkunft dachte, aber das war es nicht. Bitterkeit stieg in ihm auf. Sie war Joels Mutter, und
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