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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich doch anfühlen würde, wenn er sie noch ein einziges Mal in seine starken Arme schließen würde. Ich laufe dieses Mal auch ganz bestimmt nicht davon!, dachte sie.
    Hartmann hatte versprochen, dass er nach Freiburg zurückkehren würde, und sie war davon überzeugt, dass er sein Wort halten würde. Mit dem Rücken lehnte sie sich an die harten Bruchsteinquader und beobachtete durch das Gitterfenster, wie es draußen hell und wieder dunkel wurde, wie der Himmel erstrahlte, wie Regenschauer niedergingen und wie Wolken dahinjagten. Judith hatte keine Ahnung, ob Tage, Wochen oder Monate verstrichen, aber sie gab die Hoffnung nicht auf.

4.
    Kaiser Friedrich Barbarossa war bei einem Bad im Fluss Saleph ertrunken. Als auch noch sein Sohn, Friedrich V, bei der Belagerung von Akkon starb, war der Kreuzzug endgültig gescheitert und die letzten Wallfahrer begaben sich auf den Heimweg.
    Hartmann, Burkhard von Schlatt und der Marschall tauschten ihre Pferde gegen Plätze auf einem Schiff ein, das sie über Reggio nach Genua brachte, wo sie im Mai an Land gingen. Auf dem Fußmarsch Richtung Norden nächtigten sie unter dem Sternenzelt; bei Regen suchten sie in Schäferhütten oder Heuschobern Unterschlupf. Manchmal schenkte man ihnen einen Laib Brot, ansonsten ernährten
sie sich von dem, was die Natur für sie bereithielt. In Mailand schlossen sie sich Kaufleuten an, die ihre Waren über die Alpen nach Basel bringen wollten. In der Nähe des St. Gotthard geschah schließlich, wovor sich alle Reisenden am meisten fürchteten.
    Hartmann sah das Unglück nicht kommen, wie er überhaupt nur wenig von seiner Umgebung mitbekam. Eingewickelt in zwei Decken benötigte er seine ganze Kraft, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Infolge der mangelhaften Ernährung und der zahllosen Strapazen hatte er ein Drittel seines Körpergewichts eingebüßt. Hinzu kam, dass er sich mit dem Sumpffieber angesteckt hatte, das an den Küsten des Mittelmeeres grassierte. Wiederkehrende Fieberschübe in Begleitung von Schüttelfrost, Durchfall und Krämpfen führten ihn an seine körperlichen Grenzen. Hinter seiner Stirn pochte ein sengender Schmerz, gleichzeitig klapperten ihm die Zähne. Unzählige Male widerstand er der Versuchung, für einen Moment zu verschnaufen, aber er war sich darüber im Klaren, dass der Tross nicht auf ihn warten würde. Und wenn er sich erst einmal hingelegt hätte, würde er nicht mehr auf die Beine kommen. Dann sähe er Judith niemals wieder und für ihre Zukunft hatte er dieses Unternehmen doch angefangen. Nein, er durfte nicht aufgeben, Schritt um Schritt musste er sich weiterschleppen...
    Plötzlich legte ihm der Marschall die Hand auf den Arm und zischte: »Halt! Warte! Ich glaube, hier stimmt etwas nicht.«
    Die drei Kreuzritter gingen hinter dreißig Packeseln, die sich in einer Reihe über einen schmalen Kieselstrand kämpften. An der rechten Flanke der Tiere schäumte ein Wildbach vorüber, der das Schmelzwasser ins Tal beförderte.
An ihrer linken Flanke marschierten die Kaufleute und eine Handvoll Soldaten. Noch weiter links stieg eine bewaldete Anhöhe zu einem Felsvorsprung an.
    »Die Stelle wäre für einen Hinterhalt geeignet«, sagte Hartmann. »Wir haben keine Rückzugsmöglichkeit, aber ich kann nirgends Wegelagerer entdecken.«
    Der Marschall zog sein Schwert und flüsterte: »Hört ihr das nicht?«
    »Ich höre gar nichts«, erwiderte Burkhard.
    »Genau das meine ich!«, sagte der Marschall und pfiff auf den Fingern, um die Schutzmannschaft zu alarmieren.
    Hartmann hatte bei zahllosen Schlachten erfahren, dass der Marschall über einen untrüglichen Instinkt für Gefahren verfügte. Es machte keinen Sinn, an seinen Worten zu zweifeln. Jeden Moment konnte es losgehen. Er streifte die Wolldecken von den Schultern und zog sein Schwert.
    »Du bist nicht in der Verfassung für einen Kampf«, sagte der Marschall. »Du gehst besser hinter dem Felsen in Deckung.«
    »Seit zwei Jahren kämpfen wir Rücken an Rücken«, sagte Hartmann, »und so soll es auch bleiben.«
    Er hatte noch nicht ausgesprochen, als es im Unterholz knackte und Vögel aufflogen. Zahlreiche finstere Gestalten brachen durch das Astwerk und stürmten den Abhang hinunter. Sie waren in Pelze gehüllt und trugen Steinäxte, Spieße und Dolche in ihren Fäusten. Zahlenmäßig waren sie überlegen, aber ihre Bewaffnung war sehr primitiv.
    »Diese Feiglinge haben keine Ahnung, mit wem sie sich da anlegen«, schrie der Marschall. »Wir sind

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