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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Holzpflock zu werfen, verstohlen auf den Herold. Mit durchgedrücktem Rücken saß dieser auf einem Schimmel und hielt an einer Stange das Banner des Herzogs, einen roten Adler auf goldenem Grund. Schaum tropfte vom Maul des Pferdes.
    »Friede sei mit dir!«, grüßte Dankwart.

    »Seid Ihr Dankwart von Aue?«, fragte der Herold.
    »So ist es!«
    »Berthold IV, Herzog von Zähringen und Rektor von Burgund, übersendet Euch seinen Gruß. Er ruft seine Getreuen zu den Waffen, um gegen die FestungTübingen zu ziehen. In einer Woche, am Tag des Herrn, sammeln sich seine Krieger am Ufer der Dreisam.« Der Schimmel tanzte unruhig auf der Stelle. Der Herold zähmte ihn und fuhr fort: »Auch Ihr werdet Euch einfinden. Habt Ihr das verstanden?«
    »Ich werde da sein!«
    »Der Herzog zählt auf Euch!«
    »Dann weiß er um meine Treue!«
    Der Herold blickte ihn ein letztes Mal prüfend an, dann riss er das Pferd an den Zügeln herum und stieß ihm die Sporen in die Flanken. »Heja!«, rief er. In dieser Nacht würde er noch bei vielen Lehnsträgern und Edelfreien vorsprechen; an einem der größeren Höfe würde man ihm ein frisches Tier zur Verfügung stellen.
    Schweigend blickten Dankwart und Leutfried dem Banner nach, das im Galopp durch die Dämmerung flatterte.
    Es gab nichts zu sagen. Beide kannten den Krieg.

2.
    Am Vorabend der Zusammenkunft fand sich die Familie am Tisch ein. Agnes schöpfte aus einem Kochkessel Brei und füllte zuerst Dankwart, dann den Kindern und Leutfried und schließlich sich selbst den Napf. Nachdem sie sich gesetzt hatte, falteten alle die Hände. Dankwart sprach das Tischgebet und die Familie begann zu essen. Er
wusste, dass niemand ein Gespräch anfangen würde, solange er schwieg. Bedächtig legte er den Löffel neben den Napf, trank aus einem hölzernen Becher einen Schluck Molke und betrachtete die vertrauten Gesichter.
    Im Falle seines Todes würde der Hausherrenstuhl seinem ältesten Sohn zufallen. Heinrich fehlt es an Härte, dachte er, aber er ist von einem guten Kern beseelt; er wird für Agnes sorgen. Neben den Hufen eigenen Landes in Aue besaß Dankwart noch mehrere Wiesen und einen Weinberg bei Uffhausen. Heinrichs Erbe wäre damit reich genug, um den Schwestern eine Brautgabe zu ermöglichen, die es ihnen gestattete, in den Munt eines wohlhabenden Mannes zu gehen.
    Dankwarts Blick fiel auf Hartmann, der neben Judith, dem kleinen Mädchen von Mechthild vom Hasgelhof, saß. Die beiden Kinder spielten jeden Tag zusammen und waren kaum voneinander zu trennen. Gerade kletterten sie von der Bank, um sich in eine Ecke zurückzuziehen, wo sie offenbar etwas Wichtiges zu bereden hatten.
    Weil Hartmann der zweitgeborene Sohn war, konnte er keine Ansprüche auf das Amt des Dorfschulzen oder die Ländereien anmelden. EinesTages würde er die Adlerburg verlassen müssen, um eine eigene Familie zu gründen. Vom rechtlichen Standpunkt wäre er dann nicht besser gestellt als die Hörigen im Dorf. Soll er wirklich dem Bruder den Zehnt zahlen?, fragte sich Dankwart. Nein! Neid und Missgunst darf die Brüder nicht entzweien. Ich muss mir etwas überlegen, um dem Jungen ein besseres Leben zu ermöglichen.
    Agnes und die Mädchen räumten die Näpfe ab und stellten zwei Krüge mit Wein auf den Tisch, von denen sich die Erwachsenen nach Belieben bedienten. Durch die offene Tür fiel kaum noch Licht in den Raum. Auch das Holz in
der Feuerstelle verglomm langsam. Sie bleiben sitzen, weil sie fürchten, dass sie mich zum letzten Mal sehen, dachte Dankwart und fühlte eine große Zuneigung.
    Hartmann trat an den Tisch. »Darf Judith hier schlafen?«
    »Wenn sie zu Hause nicht erwartet wird«, erwiderte Agnes.
    Die Kinder jubelten.
    »Herr«, ergriff Leutfried das Wort, »mir ist heute etwas zu Ohren gekommen, dass Ihr unbedingt erfahren müsst. August der Altere erzählt den Leuten im Heimgarten, dass die Lehnsherrenschaft und das Amt des Dorfschulzen - im Falle Eures Todes - nicht Eurem Sohn zustehen, sondern ihm, weil er mehr Hufen Land besitzt und weil er im Gegensatz zu Euch von freier Abkunft ist.«
    »Das ist Unsinn!«
    »Sobald Ihr tot seid, will er dem Herzog den Treueid schwören.«
    »Er kann so viele Treueide schwören, wie er will. Das Lehen und das Amt sind erblich. Beides wird Heinrich zufallen, wenn ich getötet werde. Der Zähringer wird sich an die Gesetze halten.«
    »Du darfst August den Älteren nicht unterschätzen«, sagte Agnes. »Du musst hierbleiben und ihn zum Schweigen bringen!

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