Der Minnesaenger
wie wild die Gäule sind?«, fragte Werner von Schlatt. »Sie müssen die Gefahr wittern. Ansonsten hätten sie die Umzäunung nicht zum Einsturz gebracht.«
»Der Sonntag soll doch nicht mit Kämpfen entweiht werden!«
»Was weiß ich? Hör doch nur die Schmährufe der Tübinger! Die Sonne macht sie streitsüchtig. Nicht einmal bei der Messe können sie ihre Lästermäuler halten. Und auf unserer Seite haben die Söldner die ganze Nacht gezecht. Noch in aller Frühe riefen sie Beleidigungen hoch. Wenn du mich fragst, kann es jeden Augenblick losgehen.«
Dankwart spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Insgeheim hatte er gehofft, noch ein oder zwei Tage Zeit zu haben, um über sich und Agnes in Ruhe nachzudenken. Seine Ehefrau bedeutete ihm viel zu viel, als dass er von dieser Welt abtreten könnte, ohne mit ihr Frieden geschlossen zu haben.
Plötzlich wurden in den hinteren Reihen Rufe laut. Dankwart stellte sich auf die Zehenspitzen, um Ausschau zu halten. Ein Reiter preschte im Galopp vorüber. Er trug das Feldzeichen Welfs an einer Stange.
»Komm mit!«, sagte Werner. »Ich glaube, es geht los.«
Dankwart zwängte sich durch die Versammelten. Immer wieder hob er den Kopf, um seinen Knecht in der Menge zu finden. »Leutfried, wo steckst du?« Er konnte nicht sehen, aus welcher Richtung sein Knecht zu ihm stieß, aber er vernahm seine Stimme: »Ich bin an Eurer Seite, Herr!«
Dankwart wusste kaum, wie ihm geschah, als er inmitten einer Schar von fünfzig Männern loslief. Der Helm rutschte auf seinem Kopf hin und her und verdeckte ihm die Sicht; die Nasenspange stach ihm in die Haut. Immer wieder ertönte der heisere Schlachtruf: »Auf sie! Auf sie!« Weit vor sich, auf einem Plateau nahe dem Südtor, erblickte er das Banner des Herzogs.
»Da ist Berthold!«, rief er. »Wir müssen zu ihm!«
»Wir werden ihn erreichen«, schrie Werner. »Mach dich bereit. Auf sie! Auf sie!... AUF SIE!«
Dankwart sah zu Werner hinüber und war froh, dass er im Kampf neben ihm stehen würde. Mit schmalen Lippen zog er das Schwert aus der Scheide. »Dann soll es so sein!... Auf sie!... AUF SIE!«
Halb kriechend, halb aufgerichtet, durch Sträucher und über Geröll kletterten die Krieger die steile Böschung zum Kampfplatz empor. Dankwart stemmte sich über den Felsvorsprung und richtete sich auf. Aufeinandergeschlagener Stahl und raues Gebrüll tönten ihm entgegen. Als sich ein Mann mit Streitaxt auf ihn stürzte, wich er reaktionsschnell aus und stach sofort zu. Dankwart drehte die Klinge in der Wunde, und der Tübinger fiel auf den felsigen Grund, der schon vom Blut glänzte.
Männer brachten sich kriechend in Sicherheit und schrien vor Schmerzen; niedersausender Stahl ließ sie für
immer verstummen. Dankwart parierte einen Angriff, trat einem Tübinger in den Unterleib und stach ihm in die Seite. Plötzlich erblickte er den Herzog, der in dem Gewühl am Boden kniete. »Berthold ist verwundet!«, schrie Dankwart. »Los, kommt mit! Wir müssen zu ihm.« Scharfer Schweiß rann ihm in die Augen. Er wich einem Morgenstern aus, verlor das Gleichgewicht und stürzte einem Zähringer in die Beine. Während er sich aufrappelte, hielten Leutfried und Werner ihm den Rücken frei. Schließlich erreichten sie den Herzog. Berthold hielt eine Hand auf die Schulter gepresst. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch.
Dankwart ging neben seinem Herrn in die Knie und schüttelte ihn. »Hört Ihr mich?«
Der Herzog hob den Kopf. Müde Augen blickten ihn aus einem grauen Gesicht an. Er hatte viel Blut verloren. Auch aus seiner Nase tropfte es in den schwarzen Bart. »Dankwart?«
»Ich bringe Euch fort!«, sagte Dankwart und half seinem Herrn auf die Füße. »Leutfried, komm zu mir und stütz ihn! Der Herzog darf nicht in Gefangenschaft geraten.«
Während Leutfried dem Herzog unter die Achseln griff, schlugen Dankwart und Werner eine Bresche frei. Andere Zähringer eilten ihnen zur Hilfe. Aus den Reihen der Tübinger gellten Rufe: »Der Herzog flieht!... Haltet sie!... Versperrt ihnen den Weg!« Das Kampfgeschehen konzentrierte sich immer mehr um den Herzog, trotzdem erreichten die Zähringer den Felsvorsprung.
»Los, los!«, schrie Dankwart und stieß Berthold und seinen Knecht über die Kante. Für einen Augenblick verharrte er und beobachtete, wie beide den Hang hinabrollten.
Unten sprang Leutfried auf die Füße und durchtrennte die Riemen der schweren Rüstungsteile mit einem Dolch, warf Helm und Bewaffnung fort,
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