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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mechthild hat mir erzählt, dass sich der Lehnsherr von Herbolzheim mit zwanzig Silbermünzen und einem Schwein vom Waffengang freigekauft hat. So viel könnten wir auch aufbringen. Die Wände des Vorratsstalles faulen und müssen ausgebessert werden. Wenn er zusammenstürzt, verlieren wir das Getreide und hungern im Winter. Außerdem musst du die Abgaben überwachen. Du kennst sie; sie werden Heinrich betrügen!«

    »Heinrich muss lernen, sich durchzusetzen. Und was das Freikaufen angeht - du weißt genau, warum ich den Waffengang nicht vermeiden kann.«
    »Das weiß ich nicht! Ich verstehe einfach nicht, warum du dich abschlachten lassen willst.«
    Argwöhnisch betrachtete Dankwart seine Ehefrau. Schon hundert Mal hatte er ihr erklärt, warum er den Zähringern zu besonderer Treue verpflichtet war. Im Grunde verhielt sich der Sachverhalt ganz einfach. Sein Großvater hatte noch dem Landadel angehört und hatte sich eine Hörige aus dem Dorf zur Ehefrau genommen. Nach Maßgabe der ärgeren Hand waren ihre Kinder in den niederen Stand der Mutter geboren worden. So war mit der Geburt von Dankwarts Vater die edle Blutlinie abgerissen. Gleichzeitig hatte Dankwarts Vater das Blutrecht verloren, um sich über die Bauern zu stellen. Natürlich hatte ihm die unsichere Rechtslage Sorgen bereitet: Würde der Herzog ihm das Lehen überlassen oder an einen Edelmann übertragen? Was würde mit den Ländereien geschehen? Bald hatte er die Ungewissheit nicht mehr ausgehalten und war vor den Zähringer hingetreten. Der Herzog hatte sich als kluger Politiker erwiesen und gespürt, wie er am meisten Gewinn aus der Angelegenheit ziehen konnte. »Wenn du mir mit genauso großer Treue dienst wie dein Vater«, hatte er gesagt, »will ich über den Mangel deiner Geburt hinwegsehen. Du sollst das Lehen behalten.« So war Dankwarts Vater zum ersten unfreien Herrn über Aue geworden. Zugleich hatte sein Geschlecht das Erbrecht zurückgewonnen.
    In jenen Tagen hatten auch andere Fürsten Unfreie zu ihren Lehnsherren ernannt, denn es hatte sich gezeigt, dass
von den Dienstmännern mehr Ergebenheit zu erwarten war als von den kleinen Landedelleuten, die immer wieder Anlässe für Fehden geliefert hatten: Entweder sie hatten die Befehlsgewalt selber beansprucht, oder sie hatten sich einfach geweigert, in die Schlacht zu ziehen.
    »Nicht jeder Mann taugt zum Krieger«, sagte Dankwart. »Manch einer ist ein Gelehrter, ein anderer hat zwei linke Hände oder die Kraft eines Kindes, aber mein Vater war ein Mann des Schwertes und ich bin es auch. Unser Wert misst sich nicht am Stammbaum, sondern an unseren Taten. An jedem Tag müssen wir beweisen, dass wir das Vertrauen der Fürsten wert sind. Wenn Berthold mich ruft, folge ich ihm aufs Schlachtfeld. Und es ist mir gleichgültig, wer der Feind ist.«
    »Im Großen kennst du dich aus«, sagte Agnes, »aber das Naheliegende übersiehst du. Ich prophezeie dir, dass August der Ältere die Bauern aufstacheln wird. Er sät ja schon das Gift. Du musst dich freikaufen, wenn du deine Familie nicht im Stich lassen willst!«
    Dankwart blickte auf seine rechte Hand, die schon so vielen Männern den Tod gegeben hatte. »Warum fügst du dich nicht ein einziges Mal in meinen Entschluss? Warum lamentieren wir immer wieder aufs Neue über Dinge, die schon seit Jahren feststehen?«
    Agnes brach in Tränen aus. »Dankwart, ich habe ein ungutes Gefühl. Ich habe geträumt, dass du nicht zurückkehrst. Diese Fehde ist ungerecht. Was hat Berthold mit dem Tübinger zu schaffen? Was geht er ihn an? Wenn du mit dem Herzog ziehst, versündigst du dich und Gott muss dich bestrafen.«
    Warum muss sie Zweifel streuen, obwohl sie ganz genau weiß,
dass mir keine Wahl bleibt?, dachte Dankwart. Merkt sie denn nicht, dass ihre Reden mich schwächen? Mit voller Wucht ließ er seine Faust auf den Tisch krachen, so dass die Gefäße aufsprangen.
    Agnes unternahm ziellose Schritte durch den Raum, blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. In dieser Haltung verharrte sie auch, als Dankwart zur Feuerstelle ging, einen Kienspan entzündete und ihn mit vorgehaltener Hand nach draußen trug. Auf dem Hof kühlte der Ostwind sein Gesicht ab. Am Himmel funkelten Sterne. Wenigstens wird es morgen keinen Regen geben, dachte er. Leutfried war seinem Herrn gefolgt. Gemeinsam gingen sie zum Vorratsstall. Mit dem flammenden Kienspan untersuchte Dankwart die von Agnes bezeichneten modrigen Stellen. Unmittelbar über der Erdoberfläche, wo

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