Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Information weiter und wies die Ziele zu. Er selbst würde den Fuhrknecht ausschalten - die Fracht durfte unter keinen Umständen entkommen. August legte einen Pfeil in die Sehne und spannte den Bogen. Von Momenten wie diesem hatte er in den vergangenen Jahren gezehrt. Seine Wahrnehmung schärfte sich so stark, dass ihm der eigene Atem unnatürlich laut vorkam. Ein lustvolles Gefühl der Macht durchströmte ihn.
    Als er das Ziel anvisiert hatte, hielt er den Atem an und ließ den Pfeil losschwirren. Volltreffer! Die geschmiedete Spitze bohrte sich in die Brust des Fuhrmannes. In einem ungläubigen Staunen riss er die Augen auf und kippte zur Seite weg. Während August einen zweiten Pfeil nachlegte, beobachtete er, wie ein Reiter in den Rücken getroffen wurde und aus dem Sattel rutschte. Sein Kamerad riss das Schwert aus der Scheide. Mehrmals ritt er im Kreis, um sich zu verteidigen, aber gegen einen unsichtbaren Feind war er machtlos. Zwei Pfeile trafen ihn fast gleichzeitig in den Bauch. August wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie still der Tod seine Ernte einfuhr. Keiner der Männer hatte auch nur einen Mucks von sich gegeben. Nur die Vögel flatterten geräuschvoll auf, so als fürchteten sie, von dem Verderben mitgerissen zu werden. Auf dem Hintern rutschte August den steilen Abhang hinunter und ging auf den Türverschlag der Kutsche zu.
    »He!«, rief einer der Spießgesellen. »Einer lebt noch. Ich glaube, er will sich in den Wald schleppen!«
    »Dann schlag ihm endlich den Schädel ein und schwätz nicht so dämlich herum«, sagte August und riss den Verschlag auf.

    Im Inneren drängte sich ein zartes Edelfräulein an ihre betagte Hofdame. Würdevoll reckte die Alte das haarige Kinn vor und sprach: »Meine Herrin ist eine Braut. Wagt es bloß nicht, ihr ein Leid anzutun. Ansonsten hackt Euch der Markgraf den Kopf ab.«
    Normalerweise trieb August allerlei Schabernack, bevor er die Reisenden tötete, aber heute war er dazu nicht in der Stimmung - vermutlich weil er noch nichts im Magen hatte. Ohne jegliche Vorwarnung stieß er der alten Frau das Schwert in die Brust und drehte die Klinge in der Wunde. Brutal zerrte er die schreiende Braut an den Haaren aus der Kutsche und warf sie Bengt, der sich schon über die Lippen leckte, in die Arme.
    »Na, was haben wir denn da?«, rief der.
    Während sich die Spießgesellen über die Jungfrau hermachten, suchte August das Innere der Kutsche ab und wurde unter der Sitzbank fündig. Zwischen diversen Wäschestücken verbarg sich die Brautgabe - zwei Säckel, randvoll gefüllt mit Silber- und Goldmünzen.

2.
    »Ich habe euch, meine Getreuen, in den Palassaal gerufen, weil sich gerade Großes ereignet.« Der Herzog von Zähringen legte eine bedeutungsvolle Pause ein und suchte in den Gesichtern seiner engsten Berater nach Anzeichen der Erkenntnis.
    »Herr«, sagte der Marschall, »Ihr sprecht in Rätseln. Ich verstehe nicht, worauf Ihr hinauswollt!«
    Missmutig riss der Herzog eine Haxe vom Braten und wälzte sie in der braunen Soße. »Bei dem Entwurf des
Plans stand ich ganz alleine da«, sagte er, »und auch jetzt, da schon alle Arbeit getan ist, könnt ihr mir nicht folgen.« Fast trotzig nagte er das Fleisch vom Knochen, bis dieser völlig blank war. Er wischte sich mit dem Ärmel über den glänzenden Mund und knallte die Hände auf die Tafel. »Weil ihr selber nicht draufkommt, muss ich euch auf die Sprünge helfen. Wie ihr alle wisst, ist mein Bruder der Bischof von Lüttich. Um uns die Diözese nach seinem Ableben zu sichern, wird mein Enkel Konrad, der zweite Sohn meiner Tochter Agnes, bald als Domkanoniker an der Kathedrale St. Lambert anfangen. Unter dem Episkopat meines Bruders kann er sich entfalten, bis er selbst das Amt übernimmt.« Der Herzog wandte sich an den Marschall: »Erinnerst du dich noch, was vor vielen Jahren in Nimwegen vereinbart wurde?«
    »Euer Bruder, Euer Onkel Heinrich von Namur und der Kaiser waren zugegen. Was vereinbart wurde, kann ich nicht sagen.«
    »Dann will ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. In Nimwegen wurde ein Vertrag aufgesetzt, der vorsah, dass beim Tode meines kinderlosen Onkels alle Lehen, die er von derTrierer Kirche besitzt, an mich fallen. Der Vertrag hatte vor allem symbolischen Charakter. Aller Welt wurde deutlich gemacht, dass mein Onkel mich als rechtmäßigen Erben anerkennt. Und dieser Anspruch bezieht sich nicht nur auf die Trierer Stiftslehen, sondern auch auf die Reichslehen.«
    »Herr«,

Weitere Kostenlose Bücher