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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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mischte sich Bruder Stephan ein, »auch ich war in Nimwegen dabei. Wenn Ihr auf die Bürgschaft des Kaisers setzt, so ist Vorsicht geboten.«
    »Nun lasst mich doch erst mal ausreden. Die Diözese
Lüttich ist also auf Jahrzehnte gesichert durch meinen Enkel, dann die Trierer Stiftslehen und die Reichslehen von meinem Onkel, alles zusammengenommen ist - zumindest vorerst - allein schon eine Zierde, nicht wahr?«
    »Was meint Ihr mit vorerst?«, fragte Hartmann. Er war mittlerweile zweiundzwanzig Jahre alt und nicht nur als Sänger, sondern auch in allen Rechts- und Verwaltungsfragen zu einer festen Größe am Hof geworden. Er hatte sich den Ruf erworben, dass er nicht viele Worte machte, aber jede ihm übertragene Aufgabe mit dem größten Einsatz erledigte.
    »Endlich versteht mal jemand, worauf es ankommt! Ich will euch sagen, was vorerst heißt! Es bedeutet, dass ich mich wieder vermählen will! Ida, die Erbin der Grafschaft Boulogne, ist nach dem Tod ihres letzten Gemahls wieder frei. Die Reichslehen meines Onkels, das Bistum Lüttich und die Grafschaft von Boulogne würden dem Reich der Zähringer eine Schneise bis zum Ärmelkanal bahnen. Begreift ihr, was das bedeutet? Unter meiner Regentschaft würde sich das Zähringerreich bis zum Nordmeer erstrecken!«
    »Das ist ja großartig!«, rief der Truchsess. »Bruder Stephan, das muss unbedingt Eingang in die Genealogia Zaringorum finden. Die Nachwelt soll wissen, was für ein Visionär unser Herzog war.«
    Berthold sonnte sich in der Schmeichelei. »Weil mein musicus der einzige Mann am Hof ist, der die Sprache der Franken beherrscht, wird er meine Werbung überbringen und die Verhandlungen führen.«
    Hartmann war so überrascht, dass ihm beinahe die Trinkschale aus der Hand gefallen wäre. Es fehlte ihm eindeutig an Erfahrung, um eine diplomatische Mission von
dieser Tragweite anzuführen. Trotzdem behielt er seine Bedenken für sich. Der Herzog wollte keine Widerworte hören, sondern Erfolge sehen. Allein darauf kam es ihm an. »Wenn Ihr es wünscht, Herr, werde ich natürlich nach Boulogne reisen.«
    »Du sollst für mich als Diplomat tätig werden, so wie Friedrich von Hausen für den Kaiser. Ich zweifele nicht an deinem Erfolg, denn niemand in meinem Hofstaat ist klüger als du.« Der Herzog wendete sich dem Truchsess zu. »Und du, mein Freud, wirst alles einkaufen, was ein Frauenherz höherschlagen lässt. Ida von Boulogne soll sehen, dass es ihr an nichts mangeln wird, wenn sie meinem Werben stattgibt.«
    »Herr«, sagte Bruder Stephan. »Ist ein solches Vorhaben nicht zu riskant? Habt Ihr nicht gehört, dass eine Räuberbande im Schwabenland ihr Unwesen treibt? Ihr Hauptmann soll gleichermaßen gerissen und grausam sein. Auch die Route den Rhein hinab ist nicht mehr sicher. Überall soll er zuschlagen!«
    »Ach was!«, sagte Berthold IV »Die Mission duldet keinen Aufschub. Zahlreiche Franken werden um Ida werben und wir müssen ihnen zuvorkommen. Und wenn dieser Räuberhauptmann es wagen sollte, meine Gesandtschaft anzugreifen, wird er den Tag seiner Geburt verfluchen. Sollen sie doch kommen - diese Wegelagerer.«
     
    Schon im Morgengrauen des nächsten Tages war alles vorbereitet. Im flackernden Schein der Pechfackeln saß Hartmann im Sattel und beobachtete, wie der Herzog umherlief, wild gestikulierte und Befehle brüllte. Schließlich griff er ihm in die Zügel und sagte:

    »Ich lege die ganze Zukunft des Zähringergeschlechts in deine Hände. Es muss glücken, hörst du? Mir ist egal, wie lange die Verhandlungen dauern oder was es kostet, aber es muss glücken. Bring mir Ida von Boulogne!«
    Der Marschall streckte die Hand in den grauen, zerklüfteten Himmel und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Gesandtschaft setzte sich in Trab. Eine kleine Vorhut ritt voraus, die besten Schwertkämpfer flankierten die Packpferde mit den Geschenken und eine Nachhut folgte. Weil Hartmann als Verhandlungsführer und Dolmetscher unersetzlich war, ritt er im Zentrum. Die Reiseroute würde die Männer über Köln, Aachen und Lüttich bis an den Hof Philips von Flandern führen.
    Nach einem halben Tagesritt erreichten sie das Rheinufer und trabten weiter flussabwärts. Ein Ostwind schob Wolkentürme durch den Himmel, die sich zuweilen in Schauern entluden. Der Rhein pendelte in Mäandern hin und her und am Ufer wechselten sich Weiden, Schilf und Kieszungen ab. Treibgut hatte an manchen Stellen Inseln gebildet, die eine eigene Vegetation hervorbrachten.
    Hartmann fragte

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