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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Sie starrt entgeistert, dann kreischt ihr Lachen an meinen Ohren. Ehe sie etwas sagt, bin ich in der Nacht. Später, ein Bistro an der Place General de Gaulle. Am Nachmittag waren hier Zuhälter, jetzt kümmern sie sich um ihr Gestüt. Der Kaffee ist schwach. Ein übereifriger Kellner leert während einer Zigarettenlänge dreimal den Aschenbecher. In der Mitte des Platzes ist ein kleiner Platz mit staubigen Blumen, Bänken und niederen Steinmauern. Langhaarige Burschen sitzen dort in endlosen Diskussionen. Die Joints gehen von Mund zu Mund. Mädchen bilden daneben einen Kreis. Keiner bewegt sich schnell. Träge, zeitlos sitzen sie, reden, schweigen und reden.
    Wieder die Canabiere. Ein lichtbestreuter Tausendfüßler. Ich treibe durch Gestalten, Kinos, Auslagen, Menschenketten, ein langsam sich kühlender Abend ist um mich. Der Kreis schließt sich dann im Bistro, in dem ich einige Stunden zuvor war. Der Kellner erkennt mich.
    Mit übereinandergelegten Fingern bedeute ich ihm ›doppelt‹. Er nickt. Zahllose Spitzen hämmern leicht hinter meiner Stirne. Ein vergessenes Gestern schwemmt ins Heute, ist grausam und deutlich. Schmerz drückt die Schultern vor, Atmen ist mühsam. Mit geschlossenen Augen versuche ich die Unmittelbarkeit zu lindern.
    Nein, es ist zu Ende. Da ist nichts mehr. Ich weiß nichts mehr von dir. Kühl, distanziert und vernünftig war das Gespräch. Das letzte Gespräch. »Es ist nichts mehr da – nur Angst und Abscheu. Ich kann nicht mehr mit dir leben. Du bist ein Tier, grausam und brutal. Deine Zärtlichkeiten sind die eines Raubtiers. Es schaudert mich. Ich spüre deine Lust, alles zu quälen, alle, die dir begegnen. Geh, bitte. Geh fort.«
    Stella hatte die Worte anderer gebraucht. Ihre schienen ihr nicht ausreichend.
    Von der Türe her hatte ich sie gesehen.
    »Ich werde nie aufhören, dich zu lieben«, sagte ich.
    Ihre Maske zerbrach, aber sie war stolz. Nachgeben konnte sie nicht mehr. Ihr Leben, ihre Freiheit sah sie in Gefahr. Meine Art sie zu lieben, warf sie in den alten, ewigen Abgrund zwischen Körper und Geist. Seele, nannte sie es, »du, du zerstörst meine Seele … so, so kann ich dich nicht lieben.«
    Sie hatte ihre Freunde. Den vertrauten Kreis.
    Ich komme aus der falschen Welt. Gefängnisse und Nutten. Pistole unter dem Kopfkissen und ständig auf dem Sprung vor der Polizei. Sie konnte sich nie daran gewöhnen. Nachts zitterte sie in meinen Armen. »Warum gibt es diese ›So-könnte-es-sein-Tage‹, warum? Erträgst du es denn, wenn die anderen Weiber dich berühren? Wie, wie kannst du es ertragen? – Wie? Dieser Körper ist doch mein Körper«, flüsterte sie und weinte still.
    Ich streichelte ihr Haar, küßte sie auf die Schläfen. Oft sprach sie im Schlaf, ängstliche, drängende, abgerissene Worte. Ich sah in die Dunkelheit, spürte, wie sie mir entglitt.
    Dann ist es da – wenn ich viel getrunken habe, lange allein war. Der Abend, die fremde Stadt, eine Klinge wühlt in mir, dann trinke ich weiter.
    Trinken und träumen, sentimentaler Quatsch scheuert mir aus der Box in den Ohren. Der Abend überzieht mich wie ein Leichentuch. Der Calvados, der Freund mit dem Janusgesicht. Trink – alles geschieht nachher. Die Kanten sind bereits gerundet. In den Fragen liegt die Antwort, nicht die, aber eine ausreichende. Später ist dann keine Frage mehr, alles ist dann Antwort. Leise und verschwommen, Stimmen sprechen darüber hinweg. Der Abend holt mich ein. Das Glas ist kühl zwischen den Fingern.
    Zwei Mädchen sitzen beim Nebentisch. Jung beide, dunkelhaarig, mit hellen Kleidern. Der Strom der Autos versiegt. Die breite Straße wird leer. Der Losverkäufer am Kiosk nebenan steckt seine unverkauften Lose in eine bauchige Ledertasche. Sein mürrisches Gesicht glänzt im Widerschein der Reklameleuchten. Ein Bettler wirft gierige Blicke in das Lokal. Ihm fehlen die Hände. Die Armstümpfe hat er eng an die Brust gezogen. Mädchen gehen vorbei, einander an den Händen haltend. Der Abend ist älter. Ich bin nun kaum betrunken.
    Über die Canabiere biege ich in die Rue St. Ferreol ein. In den Passagen der Geschäfte liegen Unterstandslose. Ein Clochard läßt seine Füße bis auf den Gehsteig hängen. Ich stoße ihn mit dem Fuß an. Er grunzt, zieht dann, ohne sich umzusehen, die Beine dicht an den Körper.
     
    Eine schmale Bar, Mädchen lümmeln an der Theke. Ich trinke ein Bier, dann einen Schnaps. Die Mädchen taxieren geschäftsmäßig. Im Spiegel hinter der Bar gleitet mein

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