Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Sofort hüpfte sie unter die Dusche, um ihre aufkeimenden Gefühle wegzuspülen.
Willma stieg ins Auto. Sie hatte noch immer weiche Knie. Sofort wählte sie die Nummer ihrer besten Freundin Doro. Die beiden hatten sich vor Jahren auf der Uni kennengelernt, erstes Semester Medizin. Für Doro war es allerdings bei dem einen Semester Medizin geblieben. Sie wollte sich lieber auf das Äußere der Menschen konzentrieren. Viel ästhetischer, hatte sie Willma damals gesagt und begonnen, Publizistik zu studieren. Vor einem halben Jahr hatte Doro ihren absoluten Traumjob angefangen, in der Redaktion bei einer der größten Frauenzeitschriften mit dem Titel »gloria«.
Doro klang noch ganz verschlafen, als sie Willma begrüßte.
Doch als Willma anfing, ihr von der letzten Nacht zu berichten, wurde Doro hellwach. Willma musste lächeln. Wenn es um Sex ging, konnte man immer auf Doro zählen.
»Und dann?«, fragte Doro, nachdem Willma ihr alle Einzelheiten berichtet hatte.
»Dann hat er geduscht und ist gleich gegangen.«
»Höre ich da etwa so etwas wie Enttäuschung heraus? Sei froh, ich kann es gar nicht leiden, wenn die Typen am nächsten Morgen nicht wissen, wann sie abhauen sollen. Da vögel ich lieber auswärts und kann danach gehen, wann es mir passt.«
Stille.
»Willma? Sag mir jetzt nicht, dass du da mehr draus machst, als es ist!«
»Ja, du hast ja recht, ich wollte ihn, ich hatte ihn, es war geil und damit aus.«
»Aber?«
»Nichts aber«, Willma versuchte, überzeugend zu klingen, doch sie wusste, sie konnte Doro nichts vormachen.
»Willma«, ermahnte diese sie prompt.
»Also gut, irgendwas hat er, das mich nicht loslässt. Ich habe die Kontrolle verloren und bin ein bisschen ins Schleudern geraten … Das passiert mir doch sonst nicht!«
»Mach dir nicht so viele Gedanken«, sagte Doro und gähnte laut.
»Okay, mal sehen, wie es heute im Krankenhaus wird.«
Vor ihrem Dienst musste sie noch zu ihren Eltern. Ein unangenehmer Pflichtbesuch, den sie sich im Moment gerne erspart hätte.
»Du musst mehr essen Kind, du bist so dünn!« Ihre Mutter brachte sie damit jedes Mal auf die Palme.
»Mama, ich esse rund um die Uhr. Glaub mir. Die Schwestern machen sich schon lustig über meine Essensvorräte im Kühlschrank, im Spind, im Handschuhfach, ja, sogar in der Tasche meines Kittels. Sie meinen, ich hätte irgendwo illegale Einwanderer versteckt, die ich heimlich mit durchfüttere.«
Willma aß für ihr Leben gerne, warum sie dabei nie zunahm, konnte sie sich selbst nicht erklären. Für sie war es ausgleichende Gerechtigkeit. Dafür dass in diesem Land oft so kalt war, dafür dass sie wieder mal früh aufstehen musste, dafür dass die Ampel heute so lange auf Rot stand. Der Grund war egal, sie wusste nur, sie hatte es sich verdient, für ihre Leidenschaft nicht bestraft zu werden.
»Hast du schon einen netten Arzt kennengelernt?«
»Nein, bitte, Papa …«
»Aber du musst doch auch Pläne haben.«
»Ich wollte am Wochenende vielleicht ins Kino.«
»Willma, du weißt ganz genau, was ich meine. Findest du nicht, es wird langsam mal Zeit, dass du eine Familie gründest? Als sie dich bekommen hat, war Mama vierundzwanzig.«
»Bitte, ich mach jetzt erst mal meinen Facharzt, und dann gehe ich nach Afrika. Für Familie …«
»Hör uns auf mit Afrika! Glaubst du, wir wären geflüchtet, damit unser Kind ein besseres Leben hat, nur um zuzusehen, wie es dann schnurstracks wieder dorthin zurückläuft? Sei dankbar, dass es dir so gut geht, und bau dir hier, in deiner Heimat, etwas auf!«
»Ich werde nach Afrika gehen. Genau aus dem Grund. Ich will etwas tun für die Menschen, die nicht mein Glück hatten. Dort unten kann ich etwas bewirken, wisst ihr, wie viele Mütter bei der Geburt sterben, nur weil sie nicht die notwendige medizinische Versorgung haben?«
Sie wusste, die Diskussion war sinnlos. Ihre Eltern fühlten sich zwar verbunden mit ihrer alten Heimat, aber ihre Tochter für sie opfern? Niemals, das kam gar nicht infrage! Willma sollte es mal besser haben, eine gute Ausbildung, einen guten Mann, Kinder und eine sicher Zukunft, dafür hatten sie das alles auf sich genommen.
»Sei doch realistisch. Du kannst doch auch von Deutschland aus etwas für Afrika tun, deine gesamte Freizeit arbeitest du sowieso bei diesem Ärzteverein. Das ist doch wirklich genug!«
»Ich muss langsam los …«
»Verstehst du uns denn nicht?«
»… ich komme sonst noch zu spät.« Sie stand auf, froh, dass sie weg
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