Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
sich zu seinem Auto aufmachte. Und Marc rief ihm hinterher: »Ja, lass es uns diesmal langsam angehen!«
Marc kämpfte gerade mit Plänen, die er auf seinem Wohnzimmertisch ausgebreitet hatte. Vor ihm lag die Zeichnung eines riesigen Hotelkomplexes. Rachen hatte ihn vor Kurzem aufgeregt angerufen und ihm vom ersten Grundriss des Architekten berichtet. Das Projekt nahm immer deutlichere Formen an. Marc war mit seiner Entscheidung zufrieden. Oft lag er wach in seinem Bett und dachte über seine Zukunft nach. Die Welt des Sports lag hinter ihm. Nach allem, was passiert war, konnte er sich nicht mehr vorstellen, im Sport weiterzumachen. Und das, obwohl der Fußball bis vor Kurzem noch das Einzige war, was in seinem Leben zählte. Er wusste nicht, was die Zukunft für ihn bereithielt, eines Morgens jedoch wurde ihm klar, dass er noch einmal zurückmusste.
Marc winkte dem Portier zu und fuhr durch die Absperrung hinter das Stadion. Lange blieb er im Auto sitzen. Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus Thailand setzte er wieder einen Fuß in seine alte Welt des Fußballs.
Nur zögerlich stieg er aus der Sicherheit seines Wagens, und blickte sich um. Niemand war zu sehen. Er war allein. Das beruhigte ihn. Vorsichtig näherte er sich dem Eingang zu den Kabinen. Wie oft war er dort mit seinen Kollegen mit einem Kribbeln im Bauch aus dem Bus gestiegen. Er öffnete die Tür und fand sich im Empfangsbereich für die Spieler wieder. Marc schloss die Augen und atmete den vertrauten Geruch ein. Er verspürte keine Trauer. Diese vergangene Zeit war in diesem Augenblick für ihn so weit weg. Aber die Details, die Gerüche ließen seine Erinnerungen wieder erwachen. Die schwere Eisentür, bei der der Lack schon ein wenig abblätterte, der schmale, bedrückende Weg zu den Umkleideräumen, die Holzbänke, all dies war Teil seiner Geschichte. Einer Geschichte wie aus einem anderen Leben. Er setzte sich vor seinen Spind. Sein Blick wanderte durch den ganzen Raum. Rechts der Platz von René. Oft dachte er in letzter Zeit an ihn und seine beiden griechischen Kollegen, die erfolgreich für die Mannschaft kämpften und für eine Vielzahl der Treffer in den letzten Spielen verantwortlich waren.
Marc stand auf. Er ging um die Ecke und gelangte in den Duschbereich. Plötzlich wurde ihm schwindlig, er musste sich an der Wand festhalten. Er erinnerte sich an seinen Albtraum in der Sauna. Er konnte sich nicht bewegen, war wie gelähmt. Alle Männer versuchten, nach ihm zu greifen. Marc atmete durch und verließ so rasch wie möglich den Kabinenbereich.
Im Tunnel zum Stadion blieb er stehen. Jetzt war alles wieder da. So real wie schon lange nicht mehr. Die Aufstellung vor jedem Spiel. Seine Verantwortung seinen Kollegen gegenüber. Das Toben der Fans, die Euphorie des Platzsprechers und dann das Zeichen des Schiedsrichters, sich auf den Weg ins Stadion zu begeben. Er wollte verweilen, doch dann besann er sich wieder darauf, warum er heute hier war. Er wollte Jan treffen, und der wartete am Spielfeldrand auf ihn. Marc ging zügig den Tunnel weiter, bis er die Treppen zum Stadion erreichte. Lief diese hoch und dann nahm es ihm endgültig den Atem. Das Spielfeld war ein wenig beleuchtet, und ihm wurde die ganze Atmosphäre dieser Arena ins Gesicht geschleudert. Er war überwältigt. Konnte er all dies so verdrängt haben?
»Marc!«, hörte er von der Seite jemanden seinen Namen rufen. Er drehte sich um und erkannte Jan. Der ließ sich Zeit, während er auf ihn zukam. Marc streckte ihm seine Hand entgegen, Jan nahm sie und schüttelte sie etwas verhalten. »Freut mich sehr, dass du gekommen bist.«
»Danke für die Einladung«, erwiderte Marc. Jan konnte ihm nicht in die Augen sehen. Sie spazierten am Rande des Spielfelds entlang, und der Trainer erzählte ihm vom Verlauf der Saison.
Plötzlich hielt Marc inne. »Was macht eigentlich René?«, fragte er.
»Dem geht’s ganz gut, denke ich. Er hat kein einziges Mal von dir gesprochen. Ich glaube, er kämpft noch sehr mit dem, was da alles passiert ist. Es tut mir sehr leid Marc. Ich weiß, wie sehr du ihn als Freund geschätzt hast.«
»Lass gut sein, Jan, ich bin nur froh, dass sich nicht alle aus meinem alten Leben von mir abgewandt haben …«
Jan drückte den Rücken durch. Und langsam lockerte sich auch ihr Gespräch. Marc machte es ihm nicht schwer, er hatte sich wirklich gefreut, Jan zu sehen, und ließ es ihn spüren. Irgendwann landeten sie in den Zuschauerrängen und setzten sich
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