Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
ihre Arbeit im Krankenhaus. Hatte sie sich durch die Nacht mit Dr. Sobik die Aufstiegschancen versaut? Sie nahm sich vor, am Abend auf jeden Fall mit Marc zu telefonieren.
Im Laden kaufte Marc für ein festliches Frühstück ein. Champagner, Brötchen, Orangensaft, Obst … Zu Hause deckt er den Tisch mit besonders viel Liebe.
Rachen torkelte als Erster aus seinem Zimmer. Nur mit einer Shorts bekleidet zeigte er viel von seinem olivbraunen durchtrainierten Body. Marc schaute ihn ernst an und sagte: »Sorry wegen gestern.«
»Was war gestern?« Rachen strahlte ihn mit seinem gewinnenden Lächeln an. Er setzte sich zu Marc an den Tisch und legte seinen Arm um ihn. Drückte ihn an sich und murmelte ihm ganz leise ins Ohr: »Ich will ja nur den alten Marc, den wahren Marc und nicht den Fußballstar Marc. Den kannst du meinetwegen in Europa lassen.«
Marc musste lachen, die vertrauliche Nähe verunsicherte ihn. Lachen nahm dem Ganzen die Spannung. Rachen spürte die Unsicherheit bei Marc, und anstatt ihn in Ruhe zu lassen, begann er, zärtlich über seinen muskulösen Rücken zu streicheln. Marc wurde es zu viel. Er befreite sich und fragte so nebenbei, wie es nur ging: »Möchtest du ein Ei?«
Doch Rachen hörte nicht auf und sagte ganz frech: »Ja, gerne! Zwei bitte – und zwar deine.«
Marc drehte sich zu ihm um: »Bist du jetzt schwul, oder was?« Er erschrak selbst über die Heftigkeit seiner Worte und verzog sich in die Küche. Er verstand seine eigene Reaktion nicht. Verwirrt stellte er das Wasser für die Frühstückseier auf. Früher hatten sie doch auch immer wieder Zärtlichkeiten ausgetauscht, ohne diese gleich sexuell zu deuten. Er legte die Eier vorsichtig in das kochende Wasser. Hatte ihn Europa so unsensibel und hart werden lassen? Hinter ihm tauchte Rachen auf. Er sah Marc verzweifelt an und entschuldigte sich.
»Ich wollte dir wirklich nicht zu nahetreten. Aber als ich dich gestern so auf der Terrasse sah, war es mir, als gäbe es die zehn Jahr nicht, die wir uns nicht gesehen haben. Es war, als ob wir uns nie aus den Augen verloren hätten.«
»Rachen, du musst dich nicht entschuldigen«, unterbrach ihn Marc. »Ich denke, ich hab einfach zu heftig reagiert.«
»Marc!«
»Nein, lass mich ausreden. Die Jahre in Europa haben mich wirklich verändert … Und Thailand, mein Leben hier …«
»Marc!« Rachen unterbrach ihn hart. »Ja!«
»Was, ja?«, fragte Marc jetzt noch verwirrter.
»Ja, ich bin schwul.«
Es entstand eine Pause. Plötzlich lachte Rachen los: »Das ist wohl wirklich zu viel für dich, nicht? Eine Schwuchtel und ein Ladyboy. Das passt wohl nicht in dein neues Leben. Zu deinem Image … In deine harte Fußballwelt!«
Marc musste raus. Raus aus dieser Situation. Weg von diesem Mann, der so selbstverständlich dastand und über all das so normal sprach, als ob er über Essen redete. Er ging stumm in sein Zimmer, holte sein Portemonnaie und sein Handy und verließ das Haus. Er ging. Zuerst langsam bis ans Ende des kleinen Dorfes. Dann etwas schneller, er konnte nicht innehalten, und er konnte nicht denken. Er fing an zu laufen. Laufen war die einzige Möglichkeit, zu klaren Gedanken zu kommen. Was war nur mit ihm los? Das mit Rachen und Mary konnte es doch nicht sein. Er hatte in den letzten Jahren als Profifußballer schon ganz anderes erlebt. Warum fühlt er sich nur so alleine? Warum meldete sich Willma nicht? Was war bloß los? Er hat sich doch so auf seine alte Heimat gefreut.
Irgendwo am Weg hielt er ein TuckTuck an und stieg ein. Der Fahrer fragte ihn, wohin er wolle. Marc deutete nur nach vorne, und das TuckTuck bewegte sich geradeaus, Richtung Hafen.
Marc merkte erst, dass das Vehikel angehalten hatte, als der Fahrer sich nach ihm umdrehte und ihm grinsend erklärte, dass er, wenn er weiterfahren wolle, ein Boot sein müsse. Marc merkte erst jetzt, dass sie am Hafen gelandet waren. Er stieg aus, bezahlte den Fahrer und schaute sich um. Das einzige Bedürfnis, das er verspürte, war, sich weiterzubewegen. Fort, fort von hier, fort von seinen Gedanken. Er nahm das erstbeste Boot. Dort setzte er sich an den Bug und starrte abwechselnd in den Himmel und in das verdreckte Hafenwasser. Das Boot legte ab und fuhr los. Koh Tao stand als Zielhafen auf seinem Ticket. Auch gut, dachte er sich und schloss für eine lange Zeit die Augen.
Als er erwachte, glaubte er, sich ein wenig beruhigt zu haben. Er dachte, Willma würde jetzt stolz auf ihn sein. Er hatte sich treiben lassen,
Weitere Kostenlose Bücher