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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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und er entschuldigt sich nicht sehr höflich, so sage man nichts, sondern begnüge sich bescheiden mit diesem einen Tritt. Der ungebildete Fahrgast pflegt es als sein gutes Recht zu betrachten, auf die Füße zu treten, sich nicht zu entschuldigen und, wenn man ihn deshalb zur Rede stellt, nochmals zu treten. Aber ein einziger Tritt muß auch dem Vergnügungssüchtigsten genügen.
    Sitzt man neben einer Frau, die einen ungezogenen Jungen als Handgepäck bei sich hat, so finde man ihn musterhaft erzogen, denn die Mutter hält ihn dafür und würde sehr verstimmt werden, wenn man an dem Benehmen des Bengels etwas zu tadeln fände.
    Bemerkt man vom Pferdebahnwagen aus einen Menschenauflauf, so springe man nicht ab, um die Neugierde zu befriedigen und den Verlauf abzuwarten. Man freue sich statt dessen, in Sicherheit zu sein.
    Man bleibe überhaupt jedem
Auflauf
    fern. Man mache einen Umweg, um ihm auszuweichen. Denn man darf überzeugt sein, daß meist die müßigen Zuschauer solcher Aufläufe sehr viel unangenehmes erleben, wenn sie als Augenzeugen mit aufs Polizeibureau müssen.
    Wenn der Auflauf dadurch entstanden ist, daß einige Männer das Bedürfnis haben, sich zu prügeln, so störe man sie nicht durch das menschenfreundliche Bemühen, sie zu trennen. Gewöhnlich bekommt man anderenfalls alle Prügel, welche noch übrig sind, und es pflegt gewöhnlich noch ein ziemlich reicher Vorrat vorhanden zu sein.
    Wird man von einem Schutzmann aufgefordert, weiter zu gehen, so versuche man nicht, ihm auseinanderzusetzen, daß man nicht der einzige sei, der stehen geblieben, und sich mit ihm über die betreffenden Paragraphen der Verfassung zu unterhalten. Ein Schutzmann ist nur in höchst seltenen Fällen ein Causeur, sondern meint, man möchte arretiert sein. Wenn man es dann schwer findet, ihn von seinem Irrtum zu heilen, ist man gewöhnlich schon verhaftet.
    Will man nicht wissen, was los sei, so frage man mehrere, welche an dem Auflauf teilnehmen, alsdann erfährt man es nie.
    Hat man unglücklicherweise einige Püffe erhalten, so gehe man befriedigt von dannen und freue sich, daß man nicht noch die weiteren abgewartet hat.
    Ist man verheiratet, so teile man seiner Frau nicht mit, daß man als Zuschauer eines Auflaufs übel zugerichtet worden sei. Denn die Gattin behauptet sonst, man sei immer da, wo man nichts zu suchen habe, und das kränkt, da es bekanntlich nicht wahr ist. Ist man verhaftet, so suche man um die Erlaubnis nach, nach Hause telephonieren zu dürfen, und telephoniere dann der Gattin, man habe einen guten Freund getroffen, mit dem man zusammen bleibe, sonst behauptet die Gattin, man sei der einzige Mensch, dem so was passieren könne, und dies kränkt wieder, weil es bekanntlich gleichfalls nicht wahr ist.
    Ist der Auflauf beseitigt und hat man etwa eine Stunde bei ihm zugebracht, so entferne man sich und begreife die anderen nicht, welche so dumm sind, die schöne Zeit auf diese Weise zu vertrödeln.
    In der schönen Winterszeit steht der
Damenkaffee
    in voller Blüte. Wenn auch die Männerwelt dieser so sehr beliebten Erscheinung völlig fernsteht, oder doch wenigstens nur dann und wann und indirekt von ihm schwer geschädigt wird, so möchte ich doch nicht unterlassen, nach bestem Wissen diejenigen Fingerzeige zu publizieren, die mir wichtig scheinen, weil sie auch vielleicht den Damen nützlich sein können.
    Man darf den Damenkaffee nicht mit dem
Jour fixe
verwechseln, da er sich durch die peinlichste Einseitigkeit von diesem abhebt. Der
Jour fixe
ist eine viel fruchtbarere Institution, weil er beide Geschlechter zuläßt, während der Damenkaffee, wie ja schon der Titel andeutet, ausschließlich von Frauen gebildet wird. Man kann also wohl, wenn man Lust hat, von einem gebildeten Damenkaffee sprechen. Man hat allerdings sehr selten Lust.
    Der Damenkaffee hat zwei Seiten, denn als Getränk ist er genießbar.
    Den Damenkaffee als weibliche Körperschaft nennt man auch Kaffeeklatsch. Man thut ihm aber Unrecht, denn er ist viel schlimmer.
    Man findet den Damenkaffee in allen Schichten der weiblichen Bevölkerung, aber der Unterschied besteht nur in der Güte des Getränks und in der Qualität des dazu herumgehenden Kuchens, der zum Einstippen bestimmt ist. Ob hieraus unter den Damen das Wort Stippvisite entstanden ist, das wissen sie nicht.
    Die Thatsache, daß vom Damenkaffee das männliche Geschlecht ausgeschlossen ist, hat wohl darin ihre Erklärung zu suchen, daß die Damen die Konkurrenz der

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