Der Moderne Knigge
thut sehr verzweifelt. Alsdann bezahlt der Gewinner die Zechprellerei, was man sofort vergißt.
Ein guter Zechprellertric ist auch der folgende. Hat sich zu Ehren irgend eines Ereignisses eine Gesellschaft zusammengefunden, deren Mitglieder sich aus eigener Tasche beköstigen, so schließt man sich ihr an und erscheint pünktlich. Hat man eine gute Nase, so merkt man, daß der Kümmelkäse näher kommt, und läßt sich sofort einfallen, daß man zu telegraphieren habe. Man stürzt fort, indem man verspricht, nach zehn Minuten wieder zurück zu sein, und die Zechprellerei ist ein vollendetes Werk. Den Kümmelkäse holt man zu Hause nach.
Ist man Mitglied eines runden Tisches, so schone man die Eigentümlichkeiten jedes einzelnen Teilnehmers. Nur so macht man manchen unschädlich. In jedem gebildeten Kreise ist einer, der immer Recht hat. Man bedaure diesen, weil es doch sehr schwer sein muß, so viel Recht mit sich herumschleppen zu müssen, und gebe ihm immer Recht, besonders wenn er Unrecht hat. Endlich merkt er es, sucht sich einen anderen Tisch, an den sein Ruf noch nicht gedrungen ist, und wird auf diese Weise einer der gefürchtetsten Rundreisegäste.
Den unheilbaren Witzbold der Gesellschaft muß man austoben lassen. Tobt er sich anstatt aus immer mehr ein, so greife man zum äußersten, indem man sich eine Reihe seiner Witze merkt und sie ihm eines Abends vorreißt. Sieht er auch dann das Arge seines Gebarens nicht ein, so teile man ihm mit, man habe den Arzt wegen eines Leidens konsultiert und dieser habe Lachen verordnet. Dann suche man einen anderen Stammtisch und lasse an diesem ein Plakat anbringen: Dieser Tisch darf nicht verunwitzelt werden!
Ein grober Wirt muß höflich behandelt werden, damit er nicht gröber wird.
Ist der Grog zu stark von Wasser, so gieße man noch etwas Wasser zu und gebe ihn dem Kellner als Trinkgeld. Dadurch verbessert man den künftigen Grog wesentlich.
Man hüte sich vor alten Austern, auch wenn ihr Bart nicht grau ist.
Dann und wann kaue man ein Stückchen Kork, damit man weiß, wie der Wein nicht schmecken darf. Schmeckt er nach diesem nützlichen Gewebe, so sage man dies dem Wirt, damit eine neue Flasche Wein gebracht werde, nicht erst nach dem letzten Glas, weil dies dann gewöhnlich nicht geschieht.
Auch der vollkommenste Menschenfreund bedauere den Kellner nicht, wenn er sich verrechnet hat, denn dies geschieht nie zu dessen Nachteil.
Man habe immer den Hausschlüssel bei sich, besonders dann, wenn man Grund hat, ihn zu Hause vergessen zu haben.
Wird dem Stammtisch ein gewohnheitsmäßiger Brüderschafttrinker zugeweht, so gebe man sich keine Mühe, mit heilem Sie davonzukommen, sondern hoffe nur das Beste von seinem schlechten Gedächtnis, mit dem ihm sicher das viele Dutrinken reich begabt hat. Als praktisch hat sich indes zuweilen das folgende Mittel bewährt. Merkt man, daß bei dem Duzbold das Versetzen in die zweite Person Singular ausbricht, so schenke man, wenn er nicht hinsieht, ein und trinke rasch aus. Volle oder halbvolle Gläser krümmen sein Armbein. Nützt alles nichts, so suche man wenigstens um seinen Kuß zu kommen. Diesen glücklichen Verlust erleidet man am einfachsten dadurch, daß man die Cigarre nicht aus dem Munde nimmt.
Man kaufe im Wirtshaus keine Cigarre zu zehn Pfennig, besonders wenn sich an dem Tisch ein Pfälzer befindet, der durch den Duft von Heimweh ergriffen wird. Das Heimweh kann einen Menschen zur Verzweiflung bringen, oder ihn doch sehr melancholisch stimmen.
Wünscht man sich schon lange ein Porträt, das absolut nicht zu erkennen ist, so versäume man nicht, sich von einem im Wirtshaus hausierenden Silhouetteur schneiden zu lassen.
Von einer Kolporteurin der Heilsarmee kaufe man ein Exemplar ihres Blattes. Es ist doch zu angenehm, eine Zeitung zu haben, die man nicht zu lesen braucht.
Wenn man kein guter Ehemann ist und möchte als ein guter gelten, so sage man mit ermüdender Regelmäßigkeit seinen Freunden, man müsse früh nach Hause, da die Gattin nicht daran gewöhnt sei, allein zu sein. Dann wird man von allen Seiten ersucht, einmal eine Ausnahme zu machen, ist sofort gern gefällig und geht später als die Andern nach Hause.
Wird um das Getränk gewürfelt, so gewinne man, wenn man nicht gern ausgelacht zu werden pflegt. Gewinnt man immer und hat das eine Weile gedauert, so klage man über fortwährendes Pech und schließe sich vom Knobeln aus. Denn die Serie von pechösen Abenden kommt ganz gewiß
Weitere Kostenlose Bücher