Der Moderne Knigge
nicht erbleicht und den menschenfeindlichen Neptun keck herausfordert.
Wird man von einer Familie eingeladen, ein Eisfest mitzumachen, so nehme man an und werde rechtzeitig unpäßlich. Ich empfehle einen verstauchten Fuß. Nur wenn man gern auf Kinder aufpaßt, welche die Familie jedenfalls zum Eisfest mitführt, greife man zu und stelle sich pünktlich ein.
Ist man gestürzt und hat sich die Wange, die Stirn oder eine andere geeignete sichtbare Stelle so aufgeschlagen, daß eine Narbe bleibt, so kann man diese später als eine schöne Erinnerung an ein Duell bezeichnen und hat dann ein großes Eisvergnügen gehabt.
Wenn man als Feind der Kälte auf das Eis geraten ist, so erkenne man keinen Freund oder Bekannten, da man, den Hut zu ziehen, wenigstens eine Hand aus der Tasche nehmen muß, wodurch die Hand nicht wärmer wird.
Man weiche jeder Einladung zu einer Schlittenpartie aus, denn das fast einzige Vergnügen einer solchen besteht darin, daß der Schlitten nicht umfällt.
So unwichtig es manchem erscheinen mag, über das Verhalten im
Pferdebahnwagen
im Omnibus, oder in den Salons der elektrischen Bahn irgend welche Fingerzeige oder dergleichen zu veröffentlichen, so ist dies dennoch nötig und gerade um so nötiger, als dies eben manchem unwichtig erscheint. Wer dann und wann der Langeweile nicht ausweichen kann, von den bezeichneten Beförderungsmitteln Gebrauch zu machen, wird mir zugeben, daß in diesen Fuhrwerken nur höchst selten Spuren der Kultur gefunden werden.
Will man aus irgend welchem Grunde als ein unverbesserlicher Knote gelten, so folge man der hier oft beobachteten Unsitte, an den Haltestellen miteinsteigende Damen vom Eingang des Wagens abzudrängen, vor ihnen einzusteigen und sie sogar dann zu zwingen, im Regen wieder umzukehren und den nächsten Wagen abzuwarten, um dann ebenso von den hauptstädtischen Knoten behandelt zu werden.
Will man geradezu auffallen, für einen Sonderling oder für einen Narren gelten, der um jeden Preis den Ritter der Damen spielen will, so braucht man nur einer in den Wagen tretenden Dame, die keinen Sitzplatz mehr findet, den seinen zu überlassen und auf den Perron hinauszugehen. Sofort wird man wie ein Wundertier kopfschüttelnd angestarrt, was recht traurig ist.
Findet man nun einen Perronstehplatz und die an der Perronwand stehenden Fahrgäste sind nicht ohne Bitten bereit, etwas zusammen zu rücken, um das ohnehin karge Plätzchen frei zu machen, so wende man sich deshalb nicht an den Schaffner. Denn auch diesem kann es nicht gelingen, aus ungebildeten Zeitgenossen halbwegs gebildete zu machen. Solche Fahrgäste benutzen die Pferdebahn häufig und hätten von dem Schaffner längst lernen können, sich anständig zu benehmen, wenn sie bildungsfähig wären. Sie sind es wirklich nicht.
Hat man im Wagen etwas vergessen oder verloren, so verlasse man sich auf die Ehrlichkeit aller Fahrgäste und melde sich am andern Tage im Fundbureau. Hat man aber im Wagen weder etwas vergessen, noch etwas verloren, so kann man sich mit noch größerer Sicherheit auf die Ehrlichkeit aller Fahrgäste verlassen.
Wird von einem Fahrgast erzählt, er merke eben, daß er leider sein Portemonnaie verloren habe, so schärfe man sich seine Physiognomie ein. Denn er hat jedesmal, wenn er die Pferdebahn benutzt, sein Portemonnaie verloren.
Ist ein Fahrgast angetrunken, so behandle man ihn wie einen Nüchternen. Angetrunkene Fahrgäste verlangen dies und sehen sehr strenge darauf, so behandelt zu werden.
Fährt man mit einem Fahrgast zusammen, welcher sich bitter über die mangelhaften Verkehrsmittel beklagt und namentlich darüber, daß zu langsam gefahren wird, so sei man keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß er aus einer Stadt kommt, in der es überhaupt keine Fahrgelegenheit giebt.
Ist man Arzt, so fahre man im Thau- oder Regenwetter dann und wann mit der Pferdebahn, um sich über den Sumpf zu freuen, den die Perrons bilden. Viele Krankheiten von der Gicht abwärts verdanken diesem Sumpf ihre Existenz oder Förderung derselben.
Ist der Schaffner ein Dichter, so thue man ein gutes Werk, indem man ihn zu dem Entschluß zu bringen sucht, nicht unter die modernen Lyriker zu gehen und fortan mit diesen die Dichtkunst als Gewerbe zu betreiben. Denn er würde gründlich verdorben werden, alle Natürlichkeit verlieren und sich bald in seine Schaffnerstelle zurücksehnen, die dann aber vielleicht besetzt wäre.
Bekommt man von einem Eintretenden einen Tritt auf den Fuß
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