Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
Vom Netzwerk:
bekanntlich nicht immer gut möglich ist. Dagegen wird der Skatabend von den Dienstmädchen gehaßt, weil die Gäste meist so lange spielen, daß sie vom Hausherrn hinausgeleitet werden und dadurch das Trinkgeld sparen.
    Will man sich sehr beliebt machen, so verliere man immer oder meist, einerlei, ob hoch oder niedrig gespielt wird. Allerdings wird die Beliebtheit auf diese Weise ein Luxusartikel, bildet aber trotzdem eine schöne Eigenschaft.
    Bleibt die Herrin des Skathauses trotz der späten Stunde wach, so ist dies nur in seltenen Fällen ein Beweis von hochgradiger Gastfreundschaft und Vergnügen an der Unterhaltung, sondern diese weibliche Dauerbarkeit entspringt gewöhnlich einer finanziellen Maßregel, indem die Dame vor Schluß des Abends ihrem Gatten das Gewonnene abnehmen will, bei welcher Gelegenheit sie dem Skat eine warme Lobrede hält und den Gatten für einen geliebten Meister erklärt. Verliert der Gatte, so findet die Dame des Hauses, daß das Skatspiel sehr unmoralisch sei und aufhören müsse, auch sei es greulich, daß einige Herren, die sie nicht leiden könne, teilweise aus der Tasche ihres Gatten und des Vaters ihrer armen Kinder leben.
    Hat der Skatspieler keinen Witz, so hat er dennoch welchen, da er den vorhandenen und allgemein bekannten an geeigneten Stellen anbringt. Dies ist dem Hörer sehr willkommen, da er nicht zu lachen braucht, was auch meist absolut unmöglich ist. Ein gefürchteter Schädling des Skats ist derjenige Spieler, der nur witzig ist, wenn er gute Karten bekommen hat, und solche Schädlinge bekommen, wie behauptet wird, fortwährend gute Karten.
    Wenn man Grund oder Lust hat, sich als überflüssig erscheinen zu lassen, so sei man zugleich Gast und Kiebitz. Einem solchen Herrn schreibt der abergläubische Spieler die Zauberkraft zu, daß er Buben in Damen verwandelt, was die wohlthätige Folge hat, daß ein solcher Centaur nicht wieder eingeladen wird.
    Macht man sich nichts daraus, in den Augen einer Dame als Scheusal, Kaliban und Verbrecher zu gelten, – es ist dies nicht jedermanns Geschmack – so nehme man an einer Skatpartie teil, in der sich eine Dame befindet, und gewinne, oder man verliere nicht. Ist man dagegen eitel und etwas eigen, so verliere man regelmäßig, wenn eine Dame in der Partie ist. Dann gilt man als ein Adonis mit einem Schuß Apollo, auch wenn man das Gegenteil sein sollte.
    Ist man ein junger Mann und liebt die Tochter des Hausherrn, so verliere man konsequent. Hier genügt es nicht, daß man bloß nicht gewinnt. Erst nach der Verlobung nehme man dem zukünftigen Schwiegervater das ganze Geld ab.
    Spielt jemand schlecht und gewinnt man dadurch, so verzeihe man ihm sein schlechtes Spielen. Man sei aber nicht unerbittlich. Spielt aber jemand schlecht und verliert man dadurch, so zeige man, daß man Charakter habe, und lasse es an Schmähungen nicht fehlen.
    Pflegt das warme Abendessen gut und reichlich zu sein, so lobe man des Gastgebers Spiel als meisterhaft, auch wenn es dilettantisch ist. Wenn aber betreffs des Abendessens nicht alle Blütenräume reifen, so sei man so milde wie irgend möglich. Das ist's ja, was den Menschen zieret.
    Will man ganz sicher sein, wieder eingeladen zu werden, so habe man, wenn es zum Abrechnen kommt, ganz zufälligerweise kein Geld bei sich.
    Es darf hier wohl kurz auf die
musikalischen Abende
    abgeschwenkt werden, welche ja in gewissem Sinne Spielabende genannt werden können, wenn sie auch nicht immer so unterhaltend zu sein pflegen. Sie sind, weil hier der Dilettantismus seine wüstesten Orgien feiert, mit großer Vorsicht zu gebrauchen.
    Steht man im Verdacht, unmusikalisch zu sein, so braucht man das Folgende nicht zu lesen. Denn dann wird man niemals durch eine Einladung ausgezeichnet und hat sich in keiner Weise zu fragen, wie man sich zu benehmen habe. Nur für den Fall, daß man trotzdem eingeladen wird und nicht den schönen Mut hat, sich dem musikalischen Gewaltakt fernzuhalten, lese man weiter.
    Die beliebteste und verbreitetste Form des leider nur in musikalischer Hinsicht seltenen Genusses ist das Streichquartett, zu welchem sich vier Männer zusammenballen, die im gewöhnlichen Leben wohlwollende und wohlhabende Leute zu sein pflegen und nur, wenn sie zu ihren Instrumenten greifen, unberechenbar sind. Lernt man sie kennen, so merkt man ihnen nichts an, man thut also gut, sich neuen Bekanntschaften gegenüber zu erkundigen, ob sie musikrein sind, und, wenn nicht, ob sie von ihrem Können einen

Weitere Kostenlose Bücher