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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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Vorlesungen zu sehen bekommt, so besuche man eines der modernen Warenhäuser. Sonst unterlasse man solchen Besuch.
    Kann man es sich leisten, so mache man, wenn die Saison in der Großstadt besonders interessant wird, eine
Reise nach der Riviera.
    Dies macht von sich reden und gilt allgemein als die That eines Lebemanns oder einer Lebefamilie. Es ist dies nicht so auffallend, wie wenn man im Sommer aus einer schönen Villa aufs Land zieht, aber es macht doch immer Aufsehen.
    Will man sich die Achtung seiner Dienstboten bewahren, so lasse man ihnen die Schlüssel zu allen Räumen der verlassenen Wohnung. Denn namentlich die Diener sehen gern größere Gesellschaften bei sich, für welche nicht immer die Küche Platz genug bietet.
    Ist man korpulent, so habe man einen schlanken Diener, ist man aber schlank, einen korpulenten. Dies ist der Garderobe, die man nicht mit auf die Reise nimmt, sehr zuträglich, wenn man den Diener nicht nach der Riviera mitnimmt.
    Man lege Wert darauf, daß die zurückbleibende Haushälterin kein dramatisches Talent besitze. Hat sie gar Neigung, zur Bühne zu gehen und die augenblicklich das Repertoire beherrschenden Heroinen auszustechen, so entlasse man sie vor der Abreise. Denn man könnte sonst sicher sein, daß sie sich nicht nur eines Tages knebelt und dann bewußtlos auffinden läßt, sondern daß auch gleichzeitig alles Silber fehlt, welches einer ihrer Freunde trotz der Entwertung dieses Edelmetalls derart an sich genommen hat, daß es nicht wieder zum Vorschein kommt.
    Jedenfalls lasse man die Bitte zurück, daß während des Aufenthalts an der Riviera nichts von solchen und ähnlichen Vorfällen telegraphiert werde. Denn man würde doch leicht veranlaßt werden, schleunigst zurückzukommen, während das Silber und die anderen Wertgegenstände fortbleiben, worauf man sich in den meisten Fällen verlassen kann.
    Wenn man des wärmeren Klimas wegen nach Monaco reist, so nehme man nur das Geld mit, welches man unter dem Schutz des dort regierenden Fürsten verlieren kann. Viel einfacher wäre es allerdings, wenn man den Betrag an die Bank per Post einschickt, da die Bank es ja in jedem Fall gewinnt. Es ist aber anzunehmen, daß dies niemand glaubt und jeder das Geld gern selbst hinträgt, wodurch er das Porto spart.
    Hat man sein ganzes Vermögen nach Monaco mitgenommen, so findet man dort, nachdem man es verloren hat, täglich Gelegenheit, sich durch einige Revolverkugeln aus der Welt zu schaffen. Zieht mag es aber vor, heimzureisen, so ist die Bankverwaltung bereit, das Eisenbahnbillet zu bezahlen, weil ihr das Knallen der Revolver seitens der Selbstmörder, welche dem Gift nicht den Vorzug geben, unangenehm ist.
    Trifft man in Monaco einen sehr guten Freund, der gewonnen hat, so ist dies nicht wahr. Hat er aber wirklich gewonnen, was auch dann noch eine Reklame der Regierung sein kann, so pumpe man ihn auf der Stelle an, denn am anderen Tag ist es gewöhnlich zu spät.
    So lange man noch bares Geld in der Tasche hat, ist es ratsam, jedem, den man trifft und der sich gerne im Spielsaal aufhält, zu klagen, daß man alles verloren habe, um sicher zu sein, nicht angepumpt zu werden. Allerdings dauert dieser Zustand nicht lange, da man nach kurzer Zeit ebenfalls alles verloren hat. Dann klage man nicht mehr, um nicht einem guten Freund Gelegenheit zu dem alten Witz zu geben: »Wenn du auch klagst, du hast dennoch nichts.«
    Trifft man im Spielsaal ein holdes junges Mädchen, welches die Augen niederschlägt und errötet, wenn man es bezaubert anschaut, so ist die ganze Geschichte nicht wahr. Man erzähle also so etwas nicht. Man ziehe es vor, zu erzählen, daß man daselbst von mehreren eleganten Damen ersucht worden sei, zwanzig Francs für sie zu setzen, und jeder wird dies glauben, denn dies ist wahr, auch wenn man es zufällig nicht erlebt haben sollte.
    Hat man die Ehre, von einem eleganten Herrn aus der besten Gesellschaft, den man nicht kennt, angeredet zu werden, so freue man sich, denn es ist ein Bauernfänger, den man sich merken muß.
    Wenn man seine Uhr versetzt hat, so nehme man sich in Acht, daß man, gefragt, was die Uhr sei, in der Zerstreuung nicht den Pfandschein hervorholt, um Auskunft geben zu können, wenn man dem Pfandschein auch sofort ansehen kann, was die Glocke geschlagen hat.
    Kommt man dann wieder in die Heimat zurück, so erzähle man, daß man sich vortrefflich amüsiert und auch etwas gewonnen habe. Es wird aber nicht geglaubt.
    Wenden wir uns noch

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