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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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selbst das Dichten, so bekämpfe man es, um unbescholten zu bleiben. Thut man dies nicht, so wird man es bereuen, wenn es zu spät ist. Denn dann kann man es sich nicht wieder abgewöhnen, wie das Trinken, obschon es schon vorgekommen ist, daß Trinker von diesem Laster befreit worden sind. Aber der Lyriker dichtet unheilbar.
    Beneidet man einen Dichter, so treibe man den Neid nicht so weit, daß man ihm nachdichtet. Man kann es vielleicht nicht so schlecht.
    Will man sich bei Männern von Geschmack beliebt machen, so kaufe man sich ein gebundenes Exemplar des Reimlexikons und benütze es nicht.
    Hat man eine größere Menge moderner Gedichte verfaßt und will sie unter dem Titel »Flügelroßkastanien«, »Buch der Liederlichkeit« oder einem andern an einen Verleger schicken, so versäume man nicht, einen höheren Wert des Inhalts anzugeben. Vielleicht geht das Packet verloren, und man bekommt den angegebenen Wert von der Post ersetzt. Es ist in vielen Fällen für den Dichter ein großer Gewinn, wenn seine Gedichte verloren gehen.
    Einer großen Beliebtheit, vorzugsweise wegen der Übertragung der Kosten auf die Eingeladenen, erfreut sich das
Picknick
    im Freien. Jeder Teilnehmer hat Trink- und Eßbares beizusteuern, und da jeder beisteuert, was er gern ißt und trinkt, so wird jedem Geschmack genügt, wenn man nicht gezwungen wird, von dem Leibgericht und Leibgetränk Anderer zu kosten. Man thue es aber ausnahmsweise, um einige derselben nicht zu verletzen, hauptsächlich aber, um auf die Kosten zu kommen.
    Ist die Gesellschaft gelagert und soll das Verzehren der beigesteuerten Eßwaren beginnen, so nehme man anfangs ganz kleine Portionen und versichere, man habe keinen Appetit, um die Nächstlagernden nicht stutzig zu machen und sie ferner nicht zu veranlassen, ängstlich geworden einzuhauen und Vorräte anzusammeln. Erst dann thue man dies selbst.
    Sind gefürchtete Picknicker anwesend, so frage man diese nach der Güte dieses oder jenes Bratens und achte genau auf ihr Urteil. Fällt dies absprechend aus, wird z. B. der Braten als ungenießbar oder als unter aller Kritik garniert bezeichnet, so greife man eifrig zu und sorge auch für die Zeit eintretenden Mangels.
    Hört man dagegen von gemütvollen Picknickern eine Schüssel als besonders empfehlenswert hervorgehoben, so bleibe man dieser Schüssel fern und überlasse die Aufräumung den Unkundigen und Naiven, an denen es bei einem Picknick niemals fehlt.
    Hat jemand außer seinem genießbaren Beitrag einen ungenießbaren Freund mitgebracht, so sei man auch gegen jenen zurückhaltend, weil solche Picknicker gewöhnlich auch in der Wahl der Speisen geschmacklos zu sein pflegen.
    Unter den Weinen bevorzuge man denjenigen, welcher von dem getrunken wird, der ihn mitgebracht hat. Man unterrichte sich also vorher genau, ob der Spender von Flüssigkeiten selbst von seinen Gaben trinkt oder nicht. In letzterem Fall greife man an seinen Flaschen vorbei und warte ab, bis er selber trinkt. Dann strecke man ihm das leere Glas entgegen und lasse es aus der bevorzugten Flasche füllen.
    Werden von einem Teilnehmer des Picknicks, der einen vortrefflichen Appetit entwickelt, Rätsel aufgegeben, so suche man den Ehrgeiz, sie zu lösen, zu bezwingen, da das Nachdenken das bekanntlich allein fettmachende Selbstessen ungemein stört. Man bringe einige Worte mit und halte sie bereit, um sie im gegebenen Moment dem rätselschwangeren Picknicker entgegen zu schleudern. Ich empfehle als Lösung das Wort »Flammenschwert« auch für ein- und zweisilbige Charaden, das Wort »Eis« für drei- und mehrsilbige, worauf allgemeines Gelächter folgt, aus dem man sich aber nichts macht, weil man während der Dauer desselben ungestört weiter essen kann.
    Kommen die allgemein bekannten Scherzfragen an die Reihe, deren Beantwortung ebenso allgemein bekannt ist und kein Kind in Verlegenheit bringen, so kenne man weder die Frage, noch die Antwort, als solche erteile man aber eine falsche, um die Gesellschaft zu unterhalten, die sich, wenn die komischen Fragen beginnen, bereits in einem dem Gähnen ähnlichen Zustand befindet. Wenn also die so sehr komische Frage an die Reihe kommt: »Welches Fabrikat findet die meisten Abnehmer?« so antworte man: der Glühstrumpf, die Geschenkcigarre, die Ansichtspostkarte, der Nordhäuser, die Seife, die Frankomarke, kurz, man nenne jedes Fabrikat, nur nicht den Hut. Dies wirkt, und man leistet der Gesellschaft damit einen Liebesdienst.
    Fällt eine Fliege

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