Der Moderne Knigge
es belehrend und wirkt respekteinflößend.
Nur wenn man links ist und das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der rechten Hand stellt und es dann mit der linken Hand breitschlägt und köpft, weiß man, warum dies geschieht. Weil man eben links ist.
Zu den Vergnügungen des Sommers gehört auch das
Krebsessen.
Auch dies gewährt dem Gast eine reinere Freude als dem Wirt. Wer zu einem Krebsessen eingeladen ist, nehme die Einladung freundlich dankend an und sei überzeugt, daß der Wirt alles thun wird, größere Krebse anzuschaffen, als an der Wiege vorgesungen zu werden pflegen.
Man mache dem Wirt die Freude, ihm zu sagen, daß man den großen Krebs nicht höher als den kleineren schätze. Dies beruhigt den Wirt derart, daß man nun ganz ungestört ausschließlich nach den größten Krebsen langen kann.
Die Methode, nach der man dem Krebs den Panzer löst, die Scheren und den Schwanz entpanzert, jedes Bein gründlich leert und in anderer Weise das liebe Krustentier nützlich plündert, gebe man auch dann nicht auf, wenn man die Krebse nicht selbst bezahlt. Man muß sich so weit überwinden können, zu zeigen, daß man mit fremden Krebsen ebenso gewissenhaft zu Werke geht, wie mit eigenen.
Ist man Krebsschnellesser, so sorge man dafür, daß der Teller, auf den man die sterblichen Überreste der Krebse legt, häufig geleert wird, da der Anblick großer Restehaufen die anderen Gäste beunruhigt, wenn ihnen ein Überblick über die noch vorhandenen Krebse fehlt. Denn das Bewußtsein, daß sich unter den Gästen ein Schnell-, Massen- oder Konzertesser befindet, mit welchem Schritt zu halten schwer ist, erschreckt die Tafelrunde und beeinträchtigt die zum Krebsessen wichtige Laune.
Erwischt man durch eigene Schuld einen Krebs, welcher sich nur einer einzigen nennenswerten Schere erfreut, so schelte man nicht gleich über einen Krebsschaden, da dieser Witz bereits ziemlich verbraucht ist. Es genügt, wenn man dem Wirt nicht wohl ist, zu sagen, wenn der letzte Krebs verschwunden, das Krebsessen sei eigentlich eine ermüdende Arbeit, für welche man bezahlt werden müßte. Man setze hinzu, der Wirt sei ein Arbeitgeber, der die Kraft der Arbeiter ausbeute. Auf eine Antwort nicht vorbereitet, muß der Wirt lächelnd schweigen.
Da der Krebs auf verschiedene Art gekocht wird, so versäume man nie, auf Kosten der gewählten eine andere Art zu loben. Vielleicht wird dadurch der Ehrgeiz des Wirtes gereizt, und er wiederholt das Krebsessen mit der anderen Zubereitungsart. Man kann allerdings das Unglück haben, daß der Wirt nicht ehrgeizig ist. Dann sei man dadurch getröstet, daß man seine Pflicht erfüllt hat.
Weist das Krebsessen, denn unter der Sonne ist nichts vollkommen, einige Mängel auf, so warte man ruhig das ab, was nach dem Krebsessen serviert wird. Vielleicht plädiert es für Annahme mildernder Umstände. Man sei immer ein milddenkender Gast, der nicht vergißt, daß der Wirt doch vom besten Willen beseelt war. Oft kann noch eine gute Cigarre wieder gutmachen, was der Nachtisch zu tadeln gab, und es ist schön, auch dann alles zu verzeihen, wenn man nicht alles versteht.
Hat man nicht die nötige Krankheit, die nötige Zeit und das nötige Geld, eine Reise zur Karlsbader Kur zu unternehmen, so gebrauche man die
Kur in der Stadt,
die man bewohnt. Es wird sich immer ein Arzt finden, der nicht vor allen seinen Patienten Ruhe haben will, sondern den einen oder den andern veranlaßt, das Karlsbader Wasser, anstatt heiß an der Quelle, kalt oder gewärmt daheim zu trinken. Es hilft dies bisweilen ebensowenig.
Man benimmt sich in solchem Fall genau, als wäre man zur Kur in Karlsbad, indem man sich nicht an die Anordnungen des Arztes kehrt und Diätfehler begeht. Nur auf dem Gebiet des Trinkgeldgebens lebt man mäßiger. Auch sind der Kaffee und das Gebäck nicht so gut. Aber das Trinken ist bedeutend gesünder, weil es ohne Musik vorgenommen werden kann, nachdem der vorgeschriebene Brunnen aus der Apotheke oder der Mineralwasserhandlung eingetroffen ist.
Genau wie in Karlsbad beginnt man nach dem Wassertrunk zu laufen und sich zu ärgern, daß man erst nach längerem Spazieren frühstücken darf. Hierbei schadet es der Gesundheit nicht, daß man dies thut, ohne irgend eine Kurtaxe zu bezahlen. Trifft man aber unterwegs einen guten Freund, so ist anzunehmen, daß man auch nicht um einige alte Anekdoten kommt, wie man sie in dem böhmischen Wunderkurort zu hören pflegt.
Wer beim Promenieren ungern auf den Anblick
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